GK0183 - Das Hochhaus der Dämonen
unnötig ängstigen.
May Chandler rettete die Situation. »Am besten ist, Sie trinken noch einen Schluck. Das tut gut und hilft immer. Lassen Sie sich das von mir gesagt sein.«
»Sie haben wohl Erfahrung in solchen Dingen?«
May lachte hart. »Und ob.«
Suko sah, daß Wilma Musso sich in guten Händen befand, und erhob sich wieder. John Sinclairs Fortbleiben machte ihm Sorgen. Er hatte das Gefühl, daß er woanders viel dringender gebraucht wurde. Aber er konnte die Frauen auch nicht allein lassen.
Um sich nicht völlig unnütz vorzukommen, wollte er dafür sorgen, daß Ed Musso aus seiner Bewußtlosigkeit erwachte.
Der Chinese faßte den Mann unter den Achseln und schleifte ihn ins Bad.
Neben dem Waschbecken legte er ihn nieder und wollte schon den Wasserkran aufdrehen, als sein Blick auf den Spiegel fiel. Suko stutzte.
Das Glas hatte sich verfärbt.
Es war grau geworden und matt zugleich. Auf der gesamten Fläche zeigten sich Risse und Sprünge. Sie waren nadelfein, schienen aus einer verwirrenden Anordnung zu bestehen.
Sukos Gesicht näherte sich dem Spiegel. Genau sah der Chinese hin. Und dann entdeckte er in den Sprüngen und Rissen Gesetzmäßigkeiten. Die haarfeinen Sprünge waren alle miteinander verbunden und liefen einem gemeinsamen Ziel, der Mitte des Spiegels, zu.
Der Spiegel besaß ein magisches Muster!
Suko mußte daran denken, daß in diesem Zimmer James Bardens Leiche gefunden worden war. Auch er hatte vor dem Spiegel gestanden.
Unwillkürlich trat der Chinese einen Schritt zurück und schloß die Tür des Badezimmers.
Inzwischen hatte sich die Farbe des Spiegels abermals verändert. Die Oberfläche schimmerte in einem seltsamen Violett und schien sich unaufhörlich zu bewegen. Suko kam es vor, als stünde er vor einem Tor, aus dem jeden Moment jemand herauskommen müsse. Er hielt den Atem an.
Etwas mußte in den nächsten Sekunden passieren, das fühlte er ganz genau.
Und Suko sollte sich nicht getäuscht haben.
Plötzlich waren die Konturen eines Gesichts auf der Oberfläche des Spiegels zu erkennen.
Ein Gesicht, das einer Frau gehörte.
Die Geisterfrau!
Sie kam – aus dem Spiegel.
Für einen Augenblick verschwand das Gesicht, ein schemenhaftes Gebilde wischte aus dem Spiegel, tanzte ein, zwei Herzschläge lang in der Luft und materialisierte sich auf dem gefliesten Boden des Badezimmers.
Florence Barkley war da.
Unwillkürlich nahm Suko die Angriffsstellung eines Karatekämpfers ein, doch die Frau hob die rechte Hand und lächelte. Dann sagte sie: »Kraft wird dir nichts nutzen, Chinese. Mich kannst du so nicht besiegen.«
Suko fixierte die Frau. Sie sah so aus, wie die anderen Zeugen sie geschildert hatten. Schlohweißes Haar, ein runzeliges Gesicht, lange knochige Finger.
Suko atmete gepreßt. »Was willst du?«
Die Frau lächelte. Ihre Finger spielten mit den vor der Brust baumelnden Ketten. Dann hob sie den Blick. »Ich bin gekommen, um dir einen Vorschlag zu machen.«
»Welchen?«
»Nur nicht so hastig, lieber Freund. Du kennst mein Motiv. Ich will mich rächen, für das, was mir angetan worden ist. Die Menschen in diesem Haus haben über meine Warnungen gelacht. Nun, ich habe ihnen eine Kostprobe meiner Macht gegeben. Diesen Schock werden sie ihr Leben nicht mehr vergessen. Falls sie weiterleben. Und nun sind wir beim Thema. Ich gebe den Leuten eine Chance. Meine Diener haben längst das Hochhaus in Besitz genommen. Sie halten sich schon im Keller auf und warten auf mein Zeichen, um die Menschen endgültig zu vernichten. Sie werden dies auch machen, wenn sich dein Freund John Sinclair nicht zu einem Duell mit mir stellt.«
Suko riß ungläubig die Augen auf. »Er soll was?«
»Sich mit mir duellieren.«
»Wie hast du dir das vorgestellt?«
Florence Barkley lachte. »Es wird – wie sagt man doch noch – ja, es wird ein Schaukampf. Und den Ort bestimme ich. Dieser Kampf soll um Punkt Mitternacht auf dem Dach dieses Hauses stattfinden. Nur er und ich. Wir beide allein. Bestelle es diesem Sinclair. Um Punkt Mitternacht und keine Minute später. Hast du alles verstanden, Chinese?«
»Ja«, erwiderte Suko. »Ich werde es ihm ausrichten.«
Die Geisterfrau lachte. »Es wird ein phantastischer Kampf, dessen bin ich mir völlig sicher. John Sinclair kann die Bewohner retten. Denk immer daran…«
***
Der Lift stoppte im Parterre.
John und der Reporter sprangen heraus. Im Flur wimmelte es mittlerweile von Uniformierten. Auch die Männer des Katastrophenschutzes
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