GK0188 - Der Hexer mit der Flammenpeitsche
Eiszapfen hingen. Sie sahen aus wie zu dick geratene Finger.
Jane ging vorsichtig über die Treppe. Auch hier entdeckte sie keine Fußspuren. Sie drehte am Knauf der Tür und registrierte erstaunt, daß sie sich öffnen ließ.
Die Detektivin trat in einen stockdunklen Flur. Die Leere und Kälte eines nicht bewohnten Hauses schlugen ihr entgegen. Jane Collins schloß die Tür wieder hinter sich. Das Haus fiel aus dem üblichen Rahmen des Dorfes. Es war größer, und die Decken waren auch wesentlich höher als in den übrigen Häusern.
Jane betrat eines der Zimmer. Es war schon ein kleiner Tanzsaal. Eine weitere Tür führte vom Zimmer aus in den Nebenraum. Diese Feststellung machte Jane Collins im gesamten Erdgeschoß. Sämtliche fünf Räume waren miteinander durch Türen verbunden.
Die Einrichtung des Hauses war alt, aber kostbar. Sicherlich würde sich mancher Antiquitätenhändler für das Mobiliar interessieren.
Jane durchsuchte auch das Obergeschoß, doch irgendeinen Hinweis auf die Mitwirkung des Neffen an Graham Sounders Tod konnte sie nicht entdecken.
Sie stand schon im Flur, als sie das Geräusch hörte. Es hatte sich angehört wie das Schlagen einer Tür.
Jane Collins lauschte.
Das Geräusch wiederholte sich nicht.
Die Detektivin atmete tief ein. Sollte sie dem Keller einen Besuch abstatten?
Einen Augenblick lang zögerte sie, doch dann gab sie sich einen Ruck und schlich den Flur weiter entlang auf die Kellertür zu.
Sie stand einen Spaltbreit offen.
Jane vergrößerte den Durchschlupf, löschte die Lampe und tastete sich mit ihrem rechten Fuß vor.
Unter der Stiefelsohle spürte sie die Kante einer Stufe. Janes rechte Hand fuhr an der Wand entlang und ertastete den Lauf eines eisernen Geländers. Die Kälte des Metalls drang sogar durch ihre Handschuhe.
Stufe für Stufe stieg Jane Collins in die für sie unbekannte Tiefe des Kellers.
Dann hatte sie das Ende der Treppe erreicht. Rauher, unebener Stein bedeckte den Boden.
Plötzlich sah Jane einen Lichtschimmer. Es war nur ein schmaler Streifen, der unter einer Tür hindurchschimmerte.
Jane setzte sich in Bewegung. Sie ging so lautlos wie möglich und hielt sogar den Atem an.
Die rechte Hand hatte sie in die Manteltasche gesteckt, und ihre Finger umklammerten den Griff der kleinen Astra-Pistole vom Kaliber 22. Die Waffe war zwar klein, aber perfekt in ihrer Ausführung und wurde gern von Frauen getragen.
Vor der Tür, unter der der Lichtschein herschimmerte, blieb die Detektivin stehen.
Sie legte ihr Ohr an das rauhe Holz.
Stimmen!
Flüsternd, wispernd. Dann ein Stöhnen.
»Blut! Bluuut…«, ächzte jemand, und danach gab es ein pfeifendes, saugendes Geräusch.
Jane Collins lief eine Gänsehaut über den Rücken. Hart preßte sie die Lippen aufeinander. Sie bekam es ein wenig mit der Angst zu tun, doch ihre Neugierde war letzten Endes stärker.
Jane Collins wollte wissen, was hinter dieser Tür vor sich ging.
Vielleicht befand sich sogar ein Mensch in Lebensgefahr, und sie hätte es sich nie im Leben verziehen, nicht eingegriffen zu haben. Janes Hand suchte die Klinke. Dann drückte sie sie vorsichtig nach unten.
Es geschah fast lautlos. Jane hielt die Luft an, und dann konnte sie die Tür aufdrücken.
Langsam schwang das Holz zurück. Ein Spalt tat sich auf, gerade breit genug, um Jane hindurchschlüpfen zu lassen.
Die Detektivin schob sich in den Kellerraum.
Genau einen Atemzug später erlitt sie den Schock ihres Lebens. Etwa zwei Yards vor ihr befand sich ein Steinaltar. Er wurde von zwei schwarzen, armdicken Kerzen flankiert. Der Altar war mit einem schwarzen Tuch bedeckt, in dessen Mitte ein weißes Achteck gestickt war, und an dessen Kanten wiederum befanden sich Symbole der Schwarzen Magie.
Aber das war es nicht, was Jane Collins so geschockt hatte. Es war der Kopf, der inmitten des Achtecks auf dem Altar stand. Er gehörte Graham Sounders!
***
Jane Collins hatte sich so sehr auf den schrecklichen Anblick konzentriert, daß sie erst jetzt den Mann bemerkte, der sich aus dem Dämmer des hinteren Kellerraums löste.
Es war Phil Sounders. Und er hatte sich verändert.
Er trug ein enges pechschwarzes Trikot mit einem leuchtenden Totenkopf auf der Brust. Wirr hing ihm das dunkle Haar in die Stirn. Die Augen darunter leuchteten fanatisch.
Hinter dem Altar blieb er stehen und streckte beide Arme aus, so daß sie über dem Kopf schwebten…
»Komm her, meine Tochter!« flüsterte er heiser. »Komm zu mir, ich werde dich
Weitere Kostenlose Bücher