GK181 - Der Spinnenmann
angelegten Living-room. Auf dem Sims des offenen Kamins tickte eine goldene Jahresuhr.
Clips Sardo huschte aus dem Wohnzimmer.
Er lauschte. Waren die Sulzmans zu Hause? Es kam für ihn nicht in Frage, ein Risiko einzugehen. Wenn er aber auf Nummer Sicher gehen wollte, mußte er zuallererst das Schlafzimmer des Ehepaares inspizieren.
Schon stand er vor der geschlossenen Mahagonitür.
Er legte seine häßliche behaarte Hand auf die Klinke und drückte diese vorsichtig nach unten. Das Geräusch von regelmäßigen Atemzügen drang an sein Ohr.
Statt kehrtzumachen, trat er ein.
Sie schliefen in getrennten Betten. Zwischen ihren Betten stand ein Nachttischchen mit einer Lampe darauf und mit einem Telefonapparat davor.
Sardo näherte sich den beiden völlig lautlos.
Ein spöttisches Funkeln lag in seinen Augen. Da schliefen sie, und hatten nicht die leiseste Ahnung, welch unheimlicher Besucher gekommen war.
Zunächst wandte sich Sardo dem schlafenden Mann zu. Der Industrielle lag auf dem Rücken. Sein breites Gesicht wirkte auf dem Kissen wie eine rosige Fläche. Sulzmans Mund war offen. Rasselnde Atemgetäusche kamen aus seinem Hals.
Der Spinnenmann beugte sich über den Schlafenden.
Er streckte die häßlich behaarten Spinnenarme aus. Die Spinndrüsen begannen wieder Fäden zu produzieren, schickten sie über die Spinnspulen aus den Warzen. Mit verblüffender Schnellligkeit formte Clips Sardo ein großes, widerstandsfähiges Netz. Dieses warf er blitzschnell über Harry Sulzman. Die klebrigen Fäden legten sich sogleich eng an den Körper des Schlafenden. Das ganze Bett war nun von dichten Maschen bedeckt. Sulzman war gefangen.
Sardo drehte sich um.
Lorie Sulzman schlief unruhig. Sie schien schlecht zu träumen. Hin und wieder seufzte sie gequält auf. Dann wieder trat sie mit den Beinen um sich. Die Bettdecke glitt auf den Boden. Lorie Sulzman trug ein Nachthemd, das ziemlich weit nach oben gerutscht war.
Sardo beugte sich über die Frau und bedeckte ihre Blößen. Dann webte er auch über ihr ein widerstandsfähiges, elastisches Netz. Die Spinnweben legten sich auf Lories blasses Gesicht.
Die Fäden klebten sich quer über Lories Wangen.
Das Netz bedeckte auch hier bald das gesamte Bett. Clips Sardo richtete sich mit einem zufriedenen Lächeln auf. Die beiden waren versorgt.
Nun konnte er an die eigentliche Arbeit gehen.
Auf Zehenspitzen verließ er das geräumige Schlafzimmer. Behutsam zog er die Tür hinter sich zu. Ins Wohnzimmer zurückgekehrt, nahm er drei Bilder von den Haken: Einen van Gogh, einen Makart und einen Cézanne. Mit größter Vorsicht nahm Clips Sardo die Gemälde aus den goldenen Rahmen. Er rollte sie sorgfältig zusammen und wickelte sie anschließend mit Bedacht in eine teure persische Teppichbrücke. Das Ganze umwickelte er geschickt mit Spinnfäden. Die Bilder waren ein Vermögen wert. Sardo lachte in sich hinein. Die Gemälde würden ihm eine hübsche Stange Geld einbringen. Der waghalsige Einbruch hatte sich also hundertprozentig gelohnt.
Schnell begab sich der Spinnenmann zur Loggia.
Er hatte bekommen, was er haben wollte. Länger als unbedingt nötig wollte er sich in diesen Räumen nicht aufhalten. Schwungvoll überwand er die Brüstung, und schon sank er an seinen selbst produzierten Spinnfäden in die Tiefe.
Kein anderer Mensch vermochte ihm dies nachzumachen.
Darin war er einmalig.
Und diese Einmaligkeit wollte er sich in Zukunft noch oft zunutze machen…
***
Er war ärmlich gekleidet und litt unter der Kälte, deshalb trachtete er, so rasch wie möglich nach Hause zu kommen. Seit zwei Tagen war sein Auto defekt. Es stand in der Werkstatt. Man hatte es ihm für heute vormittag versprochen. Als er aber angerufen hatte, hatten sie ihm ein Märchen von unerwarteten Schwierigkeiten erzählt, die bei der Ersatzteilbeschaffung entstanden wären. Er wußte, daß sie ihn belogen, bestimmt hatten sie einen anderen Kunden — einen aus den oberen Kreisen — vorgenommen. Aber hätte es einen Sinn gehabt, aufzubrausen, zu toben, die Leute zu beschimpfen? Das einzige, was er damit erreicht hätte, wäre gewesen, daß sie ihn noch länger auf seine altersschwache Karre, die an manchen Stellen nur noch vom Dreck zusammengehalten wurde, hätten warten lassen. Also hielt Max Lanza den Mund und ließ sich vertrösten. Er ging zu Fuß nach Hause, weil er sich den Luxus, ein Taxi zu besteigen, nicht leisten wollte.
Lanza war Alleinunterhalter in einer Kneipe. Er lebte von einem
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