GK181 - Der Spinnenmann
unserer Wohnung irgendein wertvolles Stück geholt.«
Lorie stöhnte auf. »O Gott, wenn ich denke, daß er hier in unserem Schlafzimmer war, Harry… Ich glaube, ich werde ohnmächtig…«
»Nun reiß dich bitte zusammen. Werd’ nicht hysterisch, Lorie! Bitte!«
»Ich kann dieses ekelige Netz nicht mehr ertragen, Harry.«
»Was soll ich machen? Ich kann’s dir nicht abnehmen.« Sulzman zog und zerrte an den Fäden. Sie gaben nur wenige Millimeter elastisch nach, preßten ihn dann aber wieder fest auf das Bett nieder. Er bäumte sich wütend auf. Es nützte nichts. Ohne fremde Hilfe kam er auf gar keinen Fall frei.
»So unternimm doch etwas, Harry!« jammerte Lorie verzweifelt.
Sulzman fletschte die Zähne. »Das ist leichter gesagt, als getan.«
»Versuch, an das Telefon ranzukommen.«
»Geht nicht«, sagte Sulzman ärgerlich. »Ich kann ja kaum den kleinen Finger bewegen.«
Lorie fing zu heulen an. »O Harry, wie lange sollen wir so gefangen in unserem Bett liegen?«
»Morgen früh kommt Johnnie…«
»Morgen früh?« schrie Lorie bestürzt. »Harry, ich halte das nicht bis morgen früh aus!«
»Was soll ich denn machen, verdammt noch mal?« bellte Sulzman seine Frau gereizt an.
»Wir müssen um Hilfe rufen!«
»Mitten in der Nacht?«
»Haben wir etwa keinen Grund dazu?«
Sulzman knurrte: »Na schön. Dann rufen wir eben.« Er pumpte Luft in seine Lungen und brüllte dann aus vollem Hals…
***
Bevor der Spinnenmann die Straße erreichte, zuckte Max Lanza blitzschnell zurück. Jetzt stand der Alleinunterhalter hinter der Hausecke und beobachtete mit geweiteten Augen den Schwarzgekleideten. Es hat ausgesehen, als hätte sich der Kerl von hoch oben abgeseilt! dachte Max Lanza. Aber es war kein Seil zu sehen. Der Spinnenmann trug eine kleine Teppichrolle auf dem Rücken. Lanza ballte die Fäuste. Teufel, was lief hier? Wie Schuppen fiel es ihm mit einemmal von den Augen. Er erinnerte sich an die Zeitungsmeldungen, in denen von großen Spinnennetzen die Rede gewesen war. Von Netzen, in denen sich Menschen verfangen hatten. Und nun hatte sich dieser Kerl dort von hoch oben an einem anscheinend unsichtbaren Faden herabgelassen. Wie eine Spinne! Dieser Gedanke explodierte in Lanzas Kopf. Eine Spinne! Der Kerl hatte die Fähigkeit, sich wie eine Spinne an Gebäudefassaden herabzulassen. Für Lanza stand mit einemmal unumstößlich fest, daß er hier jenen Mann vor sich hatte, der auch die drei Netze gewebt hatte.
Neugier erwachte in Lanza.
Angst? Nein, Angst hatte er keine vor dem Spinnenmann. Der Kerl, vor dem Lanza sich fürchtete, mußte erst noch geboren werden. Mit schmalen Augen verfolgte Lanza jede Bewegung des Schwarzgekleideten. In seinem Kopf überschlugen sich die Gedanken. Ganz heiß wurde ihm davon. Er schluckte aufgeregt. Mensch, er hielt es für das größte Glück, das ihm widerfahren konnte, diesem Spinnenmann begegnet zu sein.
Der Kerl hatte hier irgendwo eingebrochen und gewiß was Wertvolles geklaut. Lanza überlegte fiebernd. Wenn es ihm gelang, dem Typ auf den Fersen zu bleiben, wenn es ihm gelang, den Spinnenmann zu entlarven, dann war er schon morgen ein gemachter Mann. Er würde Schlagzeilen machen.
Dazu fiel ihm sein Freund Vernon Kellag ein. Vernon war Reporter einer auflagenstarken Zeitung. Vernon würde ihn ganz groß herausbringen. Morgen schon würde der Alleinunterhalter Max Lanza in aller Munde sein. Der Held des Tages. Der Mann, der London von einem gefährlichen Phantom befreit hatte. Und der Mann auch, dem es gelungen war, die Beute des Diebes dem rechtmäßigen Besitzer zurückzubringen. Lanza der Saubermann. Das gab gewiß Anerkennung in finanzieller Hinsicht. Und die Leute würden in Scharen in jene Kneipe kommen, in der der Alleinunterhalter allabendlich für Stimmung sorgte. Der Umsatz würde steigen. Und Lanza würde daran beteiligt sein. Junge, Junge — ab morgen gab’s keine Probleme mit den Moneten mehr.
Allerdings nur dann, wenn es ihm gelang, dem Spinnenmann das Handwerk zu legen.
Aber das konnte wohl nicht allzu schwer sein.
***
Clips Sardo schaute sich kurz um, als seine Beine den Bürgersteig unter sich hatten. Er löste sich von den Fäden. Niemand fiel ihm auf. Ein Lächeln huschte über seine angespannten Züge. Es klappte alles so, wie er es sich vorgestellt hatte. Auf dem Rücken trug er einen wahren Schatz. Van Gogh, Makart, Cézanne. In anderen Wohnungen hingen Duplikate an den Wänden, aber nicht bei Harry Sulzman. Da konnte man blind
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