GK255 - Die Geisterrocker
Silver kam.
Wir fragten den Jungen, was er hier drinnen zu suchen hätte.
Furchtsam hob er die Schultern. »In alten Häusern gibt es oft Dinge zu finden, die man beim Trödler zu Geld machen kann. Ein Freund von mir hat erst neulich ein Dutzend Ferngläser gefunden, und ein sechsunddreißigteiliges Silberbesteck… Ich dachte… Ich hoffte, daß ich hier vielleicht auch etwas finden könnte.«
Ich entspannte mich und blickte Mr. Silver grinsend an. Dann gab ich dem schlotternden Jungen einen freundschaftlichen Klaps und riet ihm, sich schleunigst zu verziehen, was er sich nicht zweimal sagen ließ, Er nahm die Beine förmlich in die Hand.
Ich rief ihm nach, er solle hierher nicht mehr zurückkommen, denn das könne für ihn gefährlich werden.
Er rief zurück, daß er nicht die Absicht habe, dieses Haus noch einmal zu betreten, und ich glaubte ihm.
Ich blickte Mr. Silver an. »Sonst noch was entdeckt?«
Er schüttelte den Kopf.
»Also Fehlanzeige«, sagte ich.
»Im Moment ja«, erwiderte der Ex-Dämon. »Dennoch bin ich davon überzeugt, daß die Rocker irgendwann mal hierher zurückkehren werden.«
»Das mag sein«, meinte ich. »Aber mir fehlt die Geduld, um hier auf diesen Augenblick zu warten.«
***
Frank Esslin grübelte. Er befand sich im Living-room seines Hauses, rauchte eine Zigarette und trank Bourbon. Er erinnerte sich an die Abenteuer, die er mit Tony Ballard durchgestanden hatte. Irgendwie hatte es Tony immer geschafft, die Auswüchse des Bösen zu vernichten. Doch seit Frank gesehen hatte, wozu diese Geisterrocker imstande waren, zweifelte er daran, daß es Tony auch diesmal schaffen würde. Die gefährlichen Knochenmänner verstanden es, sich jedem Zugriff schnellstens zu entziehen. Es war ihnen möglich, sich in den schützenden Schoß einer Wolke zu flüchten, die sie in sich aufnahm, ehe man ihnen in irgendeiner Weise gefährlich werden konnte.
Frank drückte die Zigarette im Ascher aus.
Er hoffte, daß es Tony und Mr. Silver gelingen würde, in jenem Abbruchhaus die entscheidende Spur zu entdecken, die sie zu einem raschen Erfolg führte.
Er hoffte es zwar, aber er hatte ernsthafte Zweifel, daß. Ballard und Silver ihre schwierige Aufgabe lösen würden können. Erwartete er sich diesmal nicht zuviel von den beiden?
Franks Gedankengang riß plötzlich ab.
Ein unangenehmes Gefühl beschlich ihn mit einemmal. Er hatte den Eindruck, angestarrt zu werden. Er glaubte, daß alle seine Bewegungen aufmerksam beobachtet wurden. Eine rauhe Gänsehaut spannte sich über seinen Rücken. Er stellte das Bourbonglas weg und drehte sich mit einem schnellen Ruck, um. Niemand befand sich im Raum. Frank Esslin war allein. Allein und doch nicht allein, denn der Arzt spürte mit aller Deutlichkeit die Gefahr, die sich unaufhaltsam an ihn heranmachte.
Er schluckte nervös.
Sein Blick streifte die Fenster.
Da!
Waren dort nicht eben zwei Schatten gewesen? Nur für einen winzigen Augenblick lang! Sie waren schon wieder weg, und mit ein bißchen weniger Aufmerksamkeit hätte Frank Esslin sich einreden können, daß dort am Fenster überhaupt nichts gewesen war.
Eine kalte Hand legte sich um seinen Hals und drückte hart zu.
Frank rang nach Luft.
Wieder eine blitzschnelle Bewegung. Diesmal am anderen Fenster. Ebenfalls gleich wieder vorbei. Spukhaft nur.
Esslin riß sich zusammen. Jetzt nur nicht die Nerven verlieren! sagte er sich. Bleib kühl und überlegt, sonst geht’s dir an den Kragen.
Er wich langsam bis zur Wand zurück, ohne die Fensterfront aus den Augen zu lassen. Jetzt stieß er mit der Hüfte gegen die Anrichte. Hinter ihm hing, an einem dicken Mauerhaken, eine doppelläufige Schrotflinte. In der obersten Lade der Anrichte befanden sich die großkalibrigen Patronen dazu. Er redete sich ein, daß er einem eventuellen Aggressor nicht schutzlos ausgeliefert war.
Wieselflink wandte er sich um.
Hastig riß er die Flinte vom Haken. Er kippte den Lauf nach unten, zog die Schublade der Anrichte auf und stopfte rasch zwei Patronen in die großen Öffnungen. Dann schlug er den Flintenlauf nach oben. Fertig. Die Waffe war einsatzbereit, konnte jedem unerwünschten Besucher einen gewaltigen Rehposten entgegenschleudern.
Nun fühlte sich Frank Esslin etwas wohler.
Der lästige Druck löste sich von seinem Hals. Er bekam wieder besser Luft, und er hatte großes Vertrauen in seine Flinte, mit der er sich äußerst wirkungsvoll zu verteidigen gedachte.
Sein Blick wanderte zur Terrassentür
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