GK429 - Im Niemandsland des Bösen
den Schenkeln trocken und sagte: »Also dann… Sie müssen mich verstehen. Ich wäre einem neuerlichen Horror nicht gewachsen. Ich würde den Verstand verlieren.«
Vicky lächelte gütig. »Natürlich verstehen wir Sie. Bringen Sie sich in Sicherheit. Fahren Sie nach Hause und verhalten Sie sich völlig neutral. Reden Sie zu niemandem über Ihr Erlebnis. Versuchen Sie es zu vergessen. Alles andere können Sie getrost uns überlassen. Wir werden damit schon irgendwie fertig. Es hat sich bisher immer eine Lösung gefunden. Wir werden auch dieses Problem meistern.«
Bybee ging. Er setzte sich in seinen ramponierten Wagen und fuhr nach Hause. Der kühle Abendwind blies ihm durch den Frontscheibenrahmen ins Gesicht und zerzauste sein Haar. Wenn es nur bei einem verbeulten Auto blieb, wollte er morgen ein Dankgebet sprechen, das nahm er sich vor.
Vicky nahm sich der Hexe an. Roxane zitterte. So hatte die blonde Schriftstellerin die Freundin noch nie erlebt. »Hast du so große Angst vor Mago?« fragte sie.
»Du ahnst nicht, wie mächtig er ist«, sagte Roxane.
»Du bist ihm schon mehrmals entkommen. Du wirst ihm wieder ein Schnippchen schlagen. Ich bin davon überzeugt.«
»Er ist auf mein Leben besonders scharf«, sagte Roxane.
»Warum?«
»Weil ich ihn schon so lange an der Nase herumführe. So etwas kann sein krankhafter Ehrgeiz nicht vertragen. Er will mich endlich vernichten.«
»Da werden aber Tony Ballard und Mr. Silver ein Wörtchen mitreden!« sagte Vicky Bonney scharf. »Denkst du, die beiden überlassen dich einfach deinem Schicksal. Sie werden um dich kämpfen.«
»Mago wird sich auch gegen sie wenden.«
»Sie werden ihn zur Hölle schicken«, sagte Vicky betont zuversichtlich. Aber so zuversichtlich, wie sie tat, war sie nicht. Auch sie fürchtete die Zukunft. Was würde sie bringen? Angst? Leid? Tod? Wenn Tony und die anderen nur schon wieder zurück wären, dachte sie, denn ihr war klar, daß sie Mago und seinen Schergen rettungslos ausgeliefert sein würden, wenn der Schwarzmagier jetzt schon bei ihnen auftauchte.
***
Wer hatte aus diesen drei Rockern mordende Bestien gemacht? Diese Frage beschäftigte uns am meisten. Mr. Silver trug den Seeleuten auf, sich an die Polizei zu wenden. Jemand mußte schließlich Gage Rediger und die vernichteten Skelette von Bord holen.
Wodurch waren die Rocker zu Monstern geworden? Der Ex-Dämon hoffte, beim Lagerhaus einen Hinweis zu finden.
Die Meldung der Seeleute würde auf jeden Fall die Spezialabteilung von Scotland Yard erreichen, die Oberinspektor John Sinclair, unser Freund, leitete. Man nannte ihn auch den Geisterjäger, und er befaßte sich ausschließlich mit übersinnlichen Fällen. Wenn er erfuhr, daß Mr. Silver sich um diesen Fall kümmerte, wußte er automatisch, daß auch ich mit von der Partie war, und wenn er zur Zeit gerade viel am Hals hatte, würde er uns den Fall weiter lassen, denn er konnte sicher sein, daß die Angelegenheit bei uns ebensogut aufgehoben war wie bei ihm.
Wir gingen von Bord.
»Ist Tony da?« fragte Mr. Silver.
»Aber ja«, brummte ich neben ihm.
»Du solltest wirklich pfeifen.«
»Bin ich ein Teekessel?« gab ich mürrisch zurück.
Wir begaben uns zum Lagerhaus. Die Reststrahlung, die Mr. Silver vorhin wahrgenommen hatte, hatte sich bereits weitgehend verflüchtigt. Der Ex-Dämon versuchte sie in sich einzufangen und zu analysieren. Das hätte er besser schon vorher getan. Jetzt klappte es damit nicht mehr. Der Hüne unternahm zwar jede Anstrengung, doch er schaffte es nicht, herauszufinden, wer diese schwarzmagische Spur hinterlassen hatte.
»Auf jeden Fall war es kein dämonischer Winzling«, stellte Mr. Silver fest. »Sondern ein Wesen, vor dem wir uns in acht nehmen müssen.«
»Wohin kann es sich gewandt haben?« fragte Lance Selby.
Der Hüne seufzte. »Ich wollte, ich könnte dir auf diese Frage eine fundierte Antwort geben.«
»Pst!« machte ich plötzlich.
Mr. Silver schaute an mir vorbei. »Was ist? Was hast du denn? Willst du unsere Aufmerksamkeit auf dich lenken, damit wir dir nicht auf die Schuhe treten?«
»Halt die Klappe und hör doch mal!« erwiderte ich. Wir schwiegen daraufhin alle drei, und nun war deutlich das Schluchzen zu vernehmen, das ich vorhin schon mal gehört hatte. »Da weint jemand«, sagte ich.
Mr. Silver drehte sich um und trabte los. Wir folgten ihm. In einer dunklen Nische des Lagerhauses hockte ein Mädchen in Jeans und Pulli. Eine Harley Davidson stand neben ihr. Die
Weitere Kostenlose Bücher