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Glashaus

Titel: Glashaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles Stross
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wenn ich richtig vermute, hat sie übersehen, dass ich meine Wachsamkeit durch simple körperliche Unannehmlichkeiten aufrechterhalten kann. Das eiskalte Wasser, das mir regelmäßig auf den Nacken tröpfelt, erzeugt einen ständigen Gegenreiz.
    »Also, was wird von mir erwartet? Ich soll zehn Megs lang in dieser Gemeinschaft leben? Und dann was ? Was soll ich dort tun?«
    »Das kann ich dir nicht in allen Einzelheiten sagen«, erklärt Piccolo-47 in gewinnendem, ruhigem Ton. »Denn das würde die Authentizität des Experiments beeinträchtigen. Dessen Ziele und Wirkungsweisen dürfen den Probanden nicht bekannt sein, wenn der Versuch irgendeine empirische Validität haben soll. Schließlich wollen wir eine lebendige, reale Gesellschaft simulieren. Allerdings kann ich dir verraten, dass du jederzeit gehen kannst, sobald das Experiment ein Endstadium erreicht hat, das der Torwächter als akzeptabel klassifiziert. Oder wenn der Ethikausschuss, der das Experiment überwacht, dir ein früheres Ausscheiden genehmigt. Innerhalb des Experiments sind dir gewisse Beschränkungen auferlegt. Das gilt sowohl für deine Bewegungsfreiheit als auch für den Zugang zu Informationen und die medizinische Versorgung. Darüber hinaus gelten gewisse Einschränkungen für die Nutzung künstlicher Objekte und Dienstleistungen: Du musst auf alles verzichten, was erst nach der Epoche, die wir erforschen, aufgetaucht ist. Von Zeit zu Zeit wird der Torwächter den Versuchspersonen gewisse Informationen zum besseren Verständnis dieser Gesellschaft übermitteln. Ehe du mitmachen kannst, brauchen wir eine beglaubigte Einverständniserklärung von dir. Aber wir können dir jetzt schon zusagen, dass deine Würde und all deine Rechte gewahrt bleiben.«
    »Und was springt für mich dabei heraus?«, frage ich unverblümt.
    »Man wird dich für die Teilnahme fürstlich entlohnen.« Piccolo- 47 klingt fast so, als empfände er meine Frage als peinlich. »Außerdem gibt es Zusatzprämien für Probanden, die aktiv zum Erfolg des Projekts beitragen.«
    »Aha.« Ich grinse meinen Therapeuten an. »Aber das hab ich gar nicht gemeint.« Falls er glaubt, ich brauchte ein Guthaben, liegt er völlig falsch. Ich weiß zwar nicht, für wen ich früher gearbeitet habe - ob es tatsächlich die Linebarger Cats waren oder eine andere, dunklere (und noch bedrohlichere) Macht -, aber eines ist sicher: Als meine Auftraggeber mir befahlen, mich einem Eingriff in meine Erinnerungen zu unterziehen, ließen sie mich nicht mittellos zurück.
    »Außerdem ist da auch noch der therapeutische Aspekt«, fährt Piccolo-47 fort. »Offenbar hast du Probleme mit der Entwicklung und Umsetzung von Zielen. Diese Probleme haben mit der fast vollständigen Blockade der Aktivitäten in deiner Großhirnrinde zu tun, soweit sie die Belohungs- und Motivationszentren betreffen; hinzu kommt die Löschung der damit verbundenen Erinnerungen an deine frühere Tätigkeit. Offen gesagt, fühlst du dich zumindest meiner Meinung nach orientierungslos und unproduktiv. Innerhalb der simulierten Gemeinschaft wird man dir eine Beschäftigung zuweisen und von dir erwarten, dass du arbeitest. Man wird dich in eine Gemeinschaft von Gleichgestellten einführen, von Leuten, die sich alle in einer ähnlichen Lage wie du selbst befinden. Vermutlich wird das Experiment den Nebeneffekt haben, dass sich so etwas wie Kameradschaft entwickelt und du einen neuen Sinn in deinem Leben entdeckst. Dabei wird dir auch Zeit bleiben, deinen persönlichen Interessen nachzugehen und eine Richtung einzuschlagen, die zu deiner neuen Identität passt, ohne dass du dem Druck früherer Geschäftspartner oder Bekannter ausgesetzt bist. Und du wirst für deine Teilnahme, wie schon erwähnt, gut bezahlt werden.« Piccolo-47 hält kurz inne. »Übrigens hast du eine Mitstreiterin in diesem Experiment bereits kennengelernt.«
    Volltreffer.
    »Ich werde darüber nachdenken«, erkläre ich unverbindlich. »Schick mir die Details, dann überleg ich’s mir. Aber ich werde nicht auf der Stelle ablehnen oder zusagen.« Ich grinse noch breiter, sodass meine Zahnreihen zu sehen sind. »Ich mag es nämlich nicht, wenn man mich unter Druck setzt.«
    »Das verstehe ich.« Piccolo-47 steigt ein bisschen in die Höhe und zieht sich etwa einen Meter zurück. »Bitte entschuldige mich jetzt. Ich bin sehr daran interessiert, dass das Experiment erfolgreich verläuft.«
    »Na klar.« Ich gebe der Drohne durch ein Zeichen zu verstehen, dass sie

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