Glashaus
prüften, ob sie eine Bedrohung darstellten. Erst danach leiteten die Assembler deren Datenpakete zu einem anderen A-Tor innerhalb der demilitarisierten Zone weiter, wo sie wieder zusammengesetzt wurden. Normalerweise wurden Menschen nur zum Abscannen für die Zollkontrolle durch ein A-Tor geschleust. Oder sie wurden zur schnellen Weiterbeförderung zu einem Wurmloch geleitet, das dem Datenverkehr vorbehalten war. Doch zu jener Zeit wurde der Sicherheitscheck ausnahmslos bei jedem Einreisenden vorgenommen, denn wir befanden uns im Krieg.
Im Krieg? Ja, es waren die letzten Zuckungen der Zensurkriege. Ich muss mich wohl irgendwann infiziert haben, denn ich kann mich nicht mehr daran erinnern, worum es dabei eigentlich ging. Aber ich weiß noch genau, dass ich damals T-Tore des Fernverkehrs zwischen zwei Gemeinwesen bewacht habe. Und dass ich im Dienste eines der Nachfolgestaaten stand, die sich von der Republik Is abspalteten, als sich die Würmer durch deren A-Tore fraßen. Es waren Würmer, die sich als Editoren betätigten.
Und jetzt taucht eine weitere vage Erinnerung auf … Ja! Früher einmal habe ich den Linebarger Cats angehört. Oder für sie gearbeitet. Aber damals war ich kein Panzer, sondern irgendetwas anderes.
Am Ende eines muffig riechenden Ganges, der durch das steinerne Herz einer zerstörten Kathedrale führt, trete ich aus einem T-Tor heraus. Rechts und links von mir ragen riesige Säulen in den dunklen Himmel. Efeu rankt sich über die Zwischenwände aus Gitterwerk, die die Lücken zwischen den Säulen ausfüllen. (Diese Säulen sind Trugbilder, die einem ganz bestimmten Zweck dienen: Sie sind Grenzpfähle des unterirdischen Gebiets, das die Atmosphäre hier drinnen sichert. Denn der Planet unterhalb dieser fein ausgetüftelten Anlagen ist eiskalt, hat keine Atmosphäre und ist den Gezeiten seines primären Himmelskörpers unterworfen. Dieser Himmelskörper, ein Brauner Zwerg, befindet sich irgendwo im Raum jenseits des Sonnensystems, einige Hundert Trillionen Kilometer von der legendären toten Erde entfernt.) Ich spaziere durch eine Dekoration aus zerfallenden Gobelins, die ursprünglich aus karmesinroter und türkiser Wolle hergestellt sind. Die Wandteppiche zeigen uralte Szenen von Menschen in Rüstungen und langen Gewändern. Manche bekämpfen einander, andere lieben sich. Innerhalb von Sekunden überquere ich eine Kluft in der Zeit, die so riesig ist, dass meine eigene Geschichte zur Bedeutungslosigkeit verblasst.
Hier bin ich also, gestrandet am fernen Ufer der Zeit, in einem Rehabilitationszentrum, das von klinischen Chirurgen und Beichtvätern der Unsichtbaren Republik betrieben wird; streife durch die stillgelegten Hallen einer malerischen, verrückten Szenerie auf der Oberfläche eines Planeten, der Trabant eines Braunen Zwerges ist. Und versuche dabei, die Fäden meiner aufgelösten Persönlichkeit wieder zusammenzuknüpfen. Ich weiß nicht einmal, wie ich hier gelandet bin. Wie also soll ich mit meinen Therapeuten kommunizieren?
Ich folge dem blinkenden Cursor meiner übers Netz vermittelten Straßenkarte, stoße auf ein zentral gelegenes Atrium, wende mich daraufhin nach links und biege ins Mittelschiff der Kathedrale ab. Mein Weg führt mich an steinernen Altären vorbei, über denen riesengroße geschnitzte Skelette hängen. Kurz darauf gelange ich zu einer rechteckigen Öffnung im Raum - einem weiteren T-Tor. Leichtfüßig trete ich ins Wurmloch ein: Hier ist die Schwerkraft so gering, dass sie mich kaum am Boden hält, und ich spüre, wie mich eine starke Corioliskraft nach links zerrt. Das Licht wird heller, und ich erkenne, dass der Boden ein See aus irgendeiner blauen Flüssigkeit ist. Deren Oberflächenspannung ist so stark, dass ich auf dem See entlangschliddern kann und meine Füße die Flüssigkeit aufwirbeln. Auf Wasserniveau gibt es keine Türen, sondern nur Nischen und hier und da Hohlräume in der Wand. Die Luft riecht leicht nach Jod. Müsste ich eine Vermutung wagen, würde ich sagen, dass dieser Weg durch eine Kammer innerhalb eines der rätselhaften Router führt, die in dieser Region der Galaxie so viele Braune Zwerge umgeben.
Am Ende des Tunnels komme ich an mehreren dahinziehenden Wolken von menschlicher Größe vorbei. Es sind Nebel, die meine Mitreisenden einhüllen und die Privatsphäre schützen, sodass wir einander nicht zur Kenntnis nehmen müssen. Danach gelange ich eine weitere Kammer, deren Wand von einem Ring aus T-Toren umgeben ist, die zu
Weitere Kostenlose Bücher