Glasklar
übrigen Wohnung an, um etwaige Spuren zu sichern, den Anrufbeantworter des Telefons abzuhören und die Tatwaffe sicherzustellen. Dabei handelte es sich um ein großes Brotmesser, das im Sessel zwischen Armpolster und der rechten Körperseite der Toten lag.
»Von dieser Frau hat doch heute Abend Sander berichtet«, vergewisserte sich Maggy.
»Exakt«, bestätigte Speckinger. »Unsere Tote hier muss im Laufe des Tages dieser Heidelinde König ihr Herz ausgeschüttet haben. Denn offenbar hat sie sich nicht getraut, direkt mit uns zu sprechen. Die König wiederum hat Sander ins Vertrauen gezogen – und der hat’s dann wiederum uns berichtet.«
»Und so, wie es aussieht, ist Sabine Braunstein nach dem Gespräch mit Frau König hierhergefahren, um mit Katrin Fellhauer selbst zu sprechen. Dabei dürfte es dann zu einer Auseinandersetzung gekommen sein – und sie hat wieder zugestochen. Genau wie in der Samstagnacht am Mammutbaum.«
Die beiden schwiegen sich für ein paar Sekunden an.
»Möglicherweise aber«, gab Speckinger zu bedenken, »war zu diesem Zeitpunkt auch Lechner bereits hier. Und danach sind sie Hals über Kopf abgehauen.«
»Mit Frau Fellhauers altem Ford Escort, den sie mit gestohlenen Kennzeichen getarnt haben. Gerade dies aber lässt nicht gerade auf einen panikartigen Aufbruch schließen, sondern auf ein geplantes Abtauchen«, meinte Maggy. »Nun würde mich nur interessieren, wo Lechners alter VW Passat steht.«
Speckinger wollte nichts dazu sagen. Der angebliche VW Passat, den Lechner bei seiner ersten Vernehmung erwähnt hatte, war nirgendwo mehr in den Akten aufgetaucht.
Maggy spürte, dass dem Kriminalisten das Thema nicht behagte. »Von ihm steht wenig in den Akten«, äußerte sie vorsichtig, weil jetzt nicht die Zeit für Vorwürfe war. »Mich würde es nicht wundern, wenn’s seinen Almdudlerhof in Schattwald, von dem er gesprochen hat, auch nicht gäbe.«
»Wundern tut mich in diesem Fall schon lange nichts mehr«, seufzte Speckinger mit gewisser Resignation. Er war jetzt hundemüde und spürte seinen gereizten Magen.
Es war Schwerstarbeit gewesen. Sie hatten Katrin Fellhauer einen Klettergurt übergestreift und sie mehrfach mit Seilen gesichert, um sie unversehrt an die Oberfläche zu bringen. Oben im Garten, wo der Horizont im Osten schon wieder das Morgengrauen andeutete, nahmen Rettungssanitäter die Frau in Empfang, zogen ihr den dick verschmutzten Schlaz und die Schuhe aus und nahmen den Helm ab. Dann legten sie die völlig erschöpfte und zitternde Katrin auf eine Trage.
Häberle war als Zweitletzter wieder aus dem Schacht ins Freie geklettert, gefolgt von einem SEK -Beamten.
»Wo ist der Mann?«, fragte Ziegler, als Häberle an ihm vorbeigehen wollte.
Der Kommissar zuckte mit den Schultern, von denen sich einige Batzen Dreck lösten und auf Zieglers Halbschuhe zu fallen drohten. »Irgendwo da unten. Wir lassen den Einstieg observieren«, gab Häberle zurück.
»Und wenn er nicht hier rauskommt, sondern anderswo?«
Häberle war es ganz und gar nicht nach einem Frage-und-Antwort-Spiel zumute. Er blieb kurz stehen und sah dem Staatsanwalt in die Augen: »Wenn er woanders rauskommt, dann haben die Höhlenfreunde wenigstens die Gewissheit, dass der lang gesuchte zweite Ausgang endlich entdeckt ist.«
Stock unterdrückte ein Lachen, Sander gab einen kurzen Laut von sich, der sich ebenfalls nach einem Kichern anhörte.
Mittlerweile waren die Rettungssanitäter des Roten Kreuzes mit der Trage an ihrem großen Kastenwagen angelangt, an dem die hinteren Flügeltüren weit offen standen. Mit geübten Griffen schoben sie die Liege hinein.
Für einen Moment blieben Häberle und Linkohr stehen, ein Stück weiter davon entfernt verharrten Stock und Ziegler. Der junge Kriminalist unterrichtete nun auch seinen Chef, was sich in Salach ereignet hatte. Häberle brauchte ein paar Sekunden, um einordnen zu können, wie dies zu beurteilen war und wie die einzelnen Personen zueinander standen.
Linkohr durchbrach das Schweigen, das vom Tuckern des Notstromaggregats der Bereitschaftspolizei begleitet wurde. »Dann hat sie wohl beide auf dem Gewissen«, bemerkte er schließlich.
Häberle blickte stumm und nachdenklich.
Sie waren alle übernächtigt, kämpften mit Kopfschmerzen und versuchten, sich mit starkem Kaffee wachzuhalten. Als die meisten Mitglieder der Sonderkommission an diesem Mittwochvormittag gegen 9 Uhr wieder im Lehrsaal der Göppinger Polizeidirektion eintrafen,
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