Glasscherbenviertel - Franken Krimi
Heute Morgen sind die beiden Männer noch nicht erkennungsdienstlich behandelt gewesen. Wir konnten also bisher keinen Abgleich machen.«
»Gut. Dann versuche ich jetzt in Erfahrung zu bringen, ob das zwischenzeitlich geschehen ist.«
In der Besprechung gab Hackenholt kurz das Ergebnis der Obduktion bekannt: Der Tote war durch einen Messerstich ins Herz getötet worden, allerdings wies sein Körper noch dreiundzwanzig weitere Stichverletzungen auf. Puellen blieb bei seiner Schätzung des eingetretenen Todes von vor zwei bis vier Wochen, den genauen Zeitpunkt würde ein Entomologe über das Stadium der Fliegenlarven bestimmen müssen. Darüber hinaus hatte die Kollegin von der Spurensicherung den Fingernagelschmutz gesichert, sodass zumindest die Chance bestand, eine Fremd- DNA nachzuweisen, die eventuell bei Abwehrhandlungen während des Kampfes am Opfer haften geblieben war. Und natürlich war auch die Kleidung sichergestellt worden, die der Tote getragen hatte.
Dann übernahm Stellfeldt und berichtete von Özgür Alkans Vernehmung und der seines Schwagers Köksal Aguzüm. Beide hatten die Aussage verweigert und lediglich zu Protokoll gegeben, der Polizei nicht trauen zu können.
»Wie schaut es mit Frau Alkan und ihrer Tochter aus?«
»Frau Alkan wurde gestern Abend über die Festnahme ihres Mannes und ihres Bruders informiert. Sie sitzt seit zehn Uhr unten an der Pforte Jakobsplatz und wartet darauf, ihren Mann zu sehen. Die Tochter ist ebenfalls mitgekommen.«
»Okay. Lass uns einen Dolmetscher anfordern, und sobald er da ist, befragen wir die beiden Frauen separat.«
»Gibt es nicht drüben in der PI Mitte einen türkisch sprechenden Kollegen?«, fragte Stellfeldt an Baumann gewandt.
Sie nickte. »Achmedd. Obber der is in der A-Schichd, un haid hodd di Diensdgrubbm B Fräih. Obber iech schau glei ermål in der Dolmedscherlisdn nåch, ob ned amend då aa er Kolleech Dürgisch kånn. Odder vielleichd anne vo die Dibbsn.«
»Dann redet ihr mit der Tochter, und wir kümmern uns um die Mutter«, beendete Stellfeldt das Thema.
»Was haben Sie mit meinem Vater und meinem Onkel gemacht?«, fuhr Damla Ünlü Hackenholt mit funkelnden Augen an.
Der Hauptkommissar musterte die junge Frau aufmerksam. Sie trat sehr selbstbewusst auf. Aus den bereits erhobenen Personalien wusste er, dass sie fünfundzwanzig Jahre alt war, einen vierjährigen Sohn hatte und von ihrem Mann getrennt lebte.
»Beide befinden sich bei uns in Gewahrsam. Die Staatsanwaltschaft wird später entscheiden, ob beim Ermittlungsrichter ein Haftantrag wegen des Verdachts der Verdunklungsgefahr gestellt wird. Allerdings haben wir noch ein paar Fragen hinsichtlich Ihres getöteten Bruders an Sie.« Hackenholt machte eine kurze Pause, bevor er zu dem Thema kam, das ihn wirklich interessierte. »Wann hatten Sie zum letzten Mal Kontakt mit Bülent?«
»Das haben Sie mich gestern auch schon gefragt, und ich habe Ihnen genauso geantwortet: als er zu Kurban Bayrami bei uns war.«
»Aber das ist über einen Monat her«, protestierte Hackenholt.
Damla Ünlü schwieg.
»Warum hatten Sie mit ihm seither keinerlei Kontakt?«
»Mein Vater hat es mir verboten.«
»Weshalb?«
»Er fand, Bülent würde sich nicht an unsere Traditionen halten.«
»Gab es Streit zwischen Ihrem Bruder und Ihrem Vater?«
»So kann man das nicht nennen.«
»Wie dann?«
»Beide hatten unterschiedliche Lebenseinstellungen.«
»Frau Ünlü, waren Sie jemals in der Wohnung Ihres Bruders?«
»Auch das hat mein Vater mir verboten«, antwortete die junge Frau sofort, doch Hackenholt entging nicht, dass sie bei der Antwort die Augen niederschlug.
»Hatte Ihr Bruder eine Freundin?«
»Das weiß ich nicht.« Sie hielt den Blick starr auf ihre Hände gesenkt.
»Und wie sieht es mit männlichen Freunden aus?«
»Dazu kann ich genauso wenig sagen. Bülent hat mir nie von ihnen erzählt.«
»Soso. Wie würden Sie also das Verhältnis zwischen Ihnen und Ihrem Bruder beschreiben?«
»In unserem Kulturkreis pflegen die Männer ihre Angelegenheiten nicht mit Frauen zu besprechen.«
»Ihr Bruder wird es wohl kaum als ein Geheimnis betrachtet haben, mit wem er befreundet war. Insbesondere dann, wenn er sich nicht sonderlich um Traditionen geschert hat, wie Sie vorhin berichtet haben. Und da Sie von Ihrem Ehemann getrennt leben, scheint mir, dass auch Sie keinen allzu großen Wert darauf legen. Ist es da nicht naheliegend, dass man sich unter Geschwistern beisteht – vor allem, wenn
Weitere Kostenlose Bücher