Glasscherbenviertel - Franken Krimi
sie jedoch berichten, dass Bülent bis über beide Ohren in eine junge Frau namens Rojin verliebt gewesen sei. Genaueres konnte sie den Ermittlern allerdings nicht erzählen, und auch seine Freunde kannte sie nicht.
»Denkst du, der Celik hat etwas mit der Sache zu tun?« Stellfeldt entriegelte die Fahrzeugtüren.
»Du meinst, weil er einen Streit mit Bülent hatte?«
»In meinen Ohren klang das eher nach einer gravierenden Auseinandersetzung. Heutzutage ist es nicht mehr so einfach, eine neue Arbeit zu finden – gerade im Niedriglohnsektor. Sofern Bülent weiterhin als Lastwagenfahrer arbeiten wollte, war er auf ein gutes Zeugnis angewiesen, und das dürfte er von Celik wohl kaum bekommen haben. Außerdem wäre sein Vater von dem Rausschmiss sicher alles andere als begeistert gewesen.«
»Wir wissen aber nicht, ob er davon Kenntnis hatte. Außerdem: Würde man deiner Argumentation folgen, dann hätten wir mit dem Streit eher einen Grund dafür entdeckt, warum Bülent Alkan auf Erdal Celik sauer war und nicht umgekehrt.«
»Und was ist, wenn Celik uns nicht die Wahrheit gesagt hat? Wenn der Streit einen ganz anderen Grund hatte? Wenn Bülent öfter die Balkanroute gefahren ist, als Celik zugegeben hat? Bei dem Stichwort muss ich immer sofort an Heroinschmuggel und Menschenhandel denken. Bei beidem zählt ein Leben nicht besonders viel.«
Hackenholt seufzte. »Da hast du zwar recht, aber für diese Annahmen gibt es keinerlei Grundlage. Gerade wenn es um Rauschgift ginge, hätte Celik doch wohl kaum erwähnt, dass er Bülent Alkan wegen seinem Drogenkonsum vor die Tür gesetzt hat. Ich glaube, im Moment wird da kein Schuh draus.«
Unterdessen waren sie in Richtung Forchheimer Innenstadt unterwegs.
»Was hältst du davon, uns auf dem Weihnachtsmarkt ein Bratwurstbrötchen als verspätetes Mittagessen zu gönnen? Ich habe ziemlich Hunger«, wechselte Hackenholt das Thema.
»Eigentlich wollte ich einen Abstecher in die Kaiserpfalz vorschlagen«, murmelte Stellfeldt. »Diesen Weihnachtsmärkten kann ich einfach nichts abgewinnen, außerdem sind die sowieso überall gleich.« Bevor Hackenholt protestieren konnte, fuhr er schnell fort: »Aber im Pfalzmuseum ist in der Adventszeit immer eine tolle Eisenbahnanlage aufgebaut. Dieses Jahr nicht nur eine Fleischmann HO , sondern auch eine Lehmann-Großbahn. Die wollte ich mir gern ansehen, wo wir schon mal hier sind. So oft kommen wir ja nicht in die Ecke.«
Hackenholt sah auf die Uhr. Auch Polizeibeamten stand schließlich eine Mittagspause zu, gegen eine halbe Stunde konnte also niemand etwas einwenden – schon gar nicht, wenn sie sie erst verspätet um drei Uhr am Nachmittag machten. Und was sie während dieser dreißig Minuten taten, konnten sie ebenfalls selbst entscheiden.
»Lass mich da vorn an der Ecke raus«, bat er Stellfeldt daher. »Ich drehe eine Runde über den Weihnachtsmarkt, und um halb vier treffen wir uns vor der Kaiserpfalz.«
Sobald er ausgestiegen war, wehte ihm der Geruch von Lebkuchen und Bratwürsten entgegen. Einfach göttlich! Schade, dass er keinen Glühwein trinken konnte. Fasziniert betrachtete Hackenholt das einmalige Fachwerkensemble des Forchheimer Rathauses, das sich auch dieses Jahr wieder in den legendären Adventskalender verwandelt hatte. Im Inneren des Gebäudes stieß er in den mittelalterlichen Hallen auf Stände mit Produkten des fränkischen Traditionshandwerks. Im Nu wusste Hackenholt, dass er mit Sophie noch einmal in Ruhe hierherkommen musste. Sie würde ihre helle Freude an den Keramiken, Weihnachtskugeln, Krippen und handgenähten Teddybären haben.
Hackenholt genoss die Bratwürste, die wegen der geografischen Nähe zu Oberfranken anders schmeckten als die in Nürnberg. Einen Augenblick lang musste er grinsen, als er sich fragte, ob es wohl analog zum »Schäufeleführer« schon einen »Bratwurstführer für fränkische Weihnachtsmärkte« gab. Kurz entschlossen ging er in die weihnachtlich dekorierte Bücherstube an der Martinskirche und erkundigte sich bei einer freundlichen Verkäuferin danach. Leider musste sie ihm mit größtem Bedauern mitteilen, dass bislang noch niemand auf die Idee gekommen war, ein solches Büchlein zu verfassen. Vielleicht sollte er ja …? Schmunzelnd verließ er den Laden.
Was sprach eigentlich dagegen, nächstes Jahr im Dezember drei Wochen vor Weihnachten Urlaub zu nehmen und eine solide Weihnachtsmarktrecherche in Franken zu betreiben? Sophie wäre mit Sicherheit begeistert.
Gleich
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