Glaub an das Glueck, Annabelle
anstelle ihrer Freundin meldete sich eine tiefe Männerstimme. „Hallo?“
„Jacob?“, fragte Annabelle schockiert.
„Annabelle bist du das?“ Ihr großer Bruder schien mindestens so überrascht zu sein wie sie.
„Ich … ich habe dich nicht im Haus vermutet“, stammelte sie verunsichert. „Mollie sagte, du wärst die Woche über immer in London.“
„So ist es normalerweise auch, aber … warum rufst du an?“
„Ich … eigentlich wollte ich mit Mollie sprechen“, erklärte sie unbeholfen.
„Sie ist nicht hier.“ In der entstehenden Pause schloss Annabelle gepeinigt die Augen. „Kann ich dir vielleicht helfen, Belle?“
Ihr erster Instinkt war, nein zu sagen und einfach aufzulegen, doch Jacobs unerwartet fürsorglicher Ton und der Klang ihres Kosenamens aus Kindertagen ließen Annabelles Hals plötzlich ganz eng werden. Anstatt eines vernünftigen Wortes brachte sie nur ein ersticktes Schluchzen zustande.
„Belle, weinst du?“, fragte ihr Bruder scharf. „Was ist passiert?“
„Nein … ja, aber das kann ich dir nicht sagen.“
„Warum nicht?“
„Habe ich dir denn nicht schon genug angetan?“, brach es plötzlich völlig unvorbereitet aus ihr heraus. „Und das, nachdem du mich vor Dad gerettet hast …“ Verzweifelt schloss sie die Augen vor den schrecklichen Erinnerungen an jene Nacht, die sie zu überfluten drohten. „Anschließend musste ich mich auch noch wie eine Klette an dich heften und dich mit meinem Gejammer und Geheule von zu Hause wegtreiben!“
„Du warst damals fast noch ein Kind und hast eine sehr schwere Zeit durchgemacht“, sagte Jacob ruhig. „Du hattest Angst und fühltest dich schrecklich einsam, dafür konntest du doch nichts.“
„Aber am nächsten Morgen bist du gegangen und zwanzig Jahre weggeblieben!“, weinte sie auf und hörte, wie er scharf einatmete.
„Und die ganze Zeit über hast du gedacht, es wäre dein Fehler?“, fragte er fassungslos. „Du bist an jenem Abend auf der Suche nach Trost zu mir gekommen, während ich versucht habe, meine Wut und meinen Kummer in Alkohol zu ertränken wie …“ Jacob brach ab, und Annabelle hielt den Atem an. „Ich fühlte mich hilflos, überfordert und hatte schreckliche Angst, so zu werden wie er “, fuhr er heiser fort. „Darum bin ich gegangen und habe euch alle im Stich gelassen, Annabelle.“
„Du meinst … du willst sagen, es war nicht meine Schuld?“, flüsterte sie. „Ich habe nicht dein Leben ruiniert?“
„Unsinn, Belle!“, sagte er fast barsch. „Ich wollte euch beschützen, vor mir .“
Sein brüsker Ton erinnerte sie an die Stimme eines anderen Mannes.
Was willst du von mir, Annabelle? Soll ich dich anlügen? Soll ich dir vormachen, dich zu lieben, wenn ich doch nicht einmal selbst weiß, was ich wirklich fühle?
„Oh, mein Gott!“, stöhnte sie auf.
„Belle? Was ist los?“, fragte Jacob alarmiert.
Es war nicht Stefano gewesen, der sie fortgetrieben hatte. Sie hatte es selbst getan. Ihre Angst und Furcht, niemanden dazu bringen zu können, sie zu lieben, hatten ihr wieder einmal im Weg gestanden. Dabei hatte sie sich nie so lebendig und sicher gefühlt wie in seiner Gegenwart.
Ich mag dich, Annabelle, sehr sogar. Mehr als jede andere Frau …
Er hatte gewollt, dass sie blieb, aber er konnte sie nicht anlügen. Sie war es, die einfach davongelaufen war. Schon viel zu lange hatte sie mit der Furcht gelebt, nicht geliebt zu werden. Jetzt wollte sie ihr Schicksal endlich selbst in die Hand nehmen und die Frau werden, zu der sie geboren war!
„Ich muss gehen …“, murmelte sie abwesend ins Telefon.
„Wohin und warum?“, wollte ihr Bruder besorgt wissen.
Annabelle lachte leise. „Danke Jakob, ich liebe dich und werde dir bald alles erklären“, versprach sie, steckte das Handy ein und startete den Wagen.
Stefano hatte das Spiel komplett in den Sand gesetzt.
Als er nach dem Dinner missmutig im Festzelt auftauchte, pöbelten ihn die anderen Polospieler von allen Seiten an.
„Was für lächerliche Patzer!“, schimpfte ein Teamkollege, als Stefano in seinem eleganten Frack an ihm vorbeistürmte.
„Uns noch alle in dein Elend mit hineinzuziehen!“, moserte ein anderer.
„Warst du etwa betrunken?“, fragte ihn der Nächste, als er an der Bar auftauchte.
„Da noch nicht“, knurrte Stefano grimmig, „aber gleich!“
Das riesige weiße Zelt war für die Abendgala in einen eleganten Ballsaal verwandelt worden. Weiße Lilien in üppigem Grün gaben dem Ganzen
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