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Glennkill: Ein Schafskrimmi

Glennkill: Ein Schafskrimmi

Titel: Glennkill: Ein Schafskrimmi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leonie Swann
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war noch lange nicht getan. In den Heuschuppen? Um diese Zeit? Niemals! Außerdem hatte Rebecca ihnen weniger als sonst vorgelesen. Sie starrten die Schäferin bockig an.
    »Meeehr!«, blökte Maude.
    »Meeehr!«, blökten die drei Lämmer.
    Rebecca blieb stur. Jeder konnte merken, dass sie Georges Tochter war.
    »Die Geschichte ist aus«, sagte sie. »Das war’s für heute.«
    Maude roch die Entschlossenheit auf Rebeccas Stirn und verstummte, aber die drei Lämmer blökten unverdrossen weiter. Rebecca hob die Augenbrauen.
    »Das nächste Mal lese ich euch ›Das Schweigen der Lämmer‹ vor«, versprach sie. Dann erhob sie sich von den Stufen des Schäferwagens.
    »Das Schweigen der Lämmer«. Es klang viel versprechend. Vor allem die Mutterschafe erhofften sich einiges von der Lektüre.
    »Geht schlafen«, sagte Rebecca. »Morgen geht es ab nach Europa. Sehr früh. Ich will keine verschlafenen Gesichter sehen.«
    Damit verschwand sie im Schäferwagen, Tess an den Fersen.
    »Morgen!«, blökte Heide.
    »Europa!«, hauchte Maisie.
    »Es ist schön, dass wir nach Europa fahren«, sagte Cordelia nachdenklich, »aber es ist schade, dass wir dafür von hier wegmüssen.«
    Die anderen Schafe nickten zustimmend.
    »Wenn man nach Europa fahren könnte und gleichzeitig hier bleiben …«, sagte Mopple. »Das wäre schön. Dann könnte man an zwei Stellen gleichzeitig grasen.«
    Sie dachten ein wenig über die wunderbaren Möglichkeiten des multiplen Grasens nach.
    Dann hob Melmoth plötzlich den Kopf, als hätte er einen Ruf gehört. Seine Augen wurden feucht und glänzend. Er begann, aufgeregt zu tänzeln.
    »Kommt mit zu den Klippen«, sagte er. »Ich will euch etwas über den Abschied erzählen.« Die Schafe kamen gerne mit. Wenn Melmoth erzählte, war es, als würde ihnen ein fremder Wind um das Gesicht streichen, gewürzt mit Ahnungen und geheimnisvollen Witterungen. Sie folgten dem Grauen zu den Klippen.
    Mit einem Mal fingen die Krähen auf dem Krähenbaum an zu schreien. Markerschütternd, ein wahres Aasgeschrei. Unwillkürlich spähten die Schafe nach dem toten Tier, das der Anlass für diesen Aufruhr sein musste. Aber sie konnten nichts entdecken.
    Als sie sich wieder umdrehten, war Melmoth verschwunden. Einfach so. Sie suchten unter dem Dolm, im Heuschuppen und hinter dem Schäferwagen. Sie suchten in den Hecken und unter dem Schattenbaum, obwohl Melmoth bei den Klippen gestanden hatte und unmöglich in der kurzen Zeit bis zu den Hecken galoppiert sein konnte. Irgendwo musste er ja stecken, er und seine Geschichte vom Abschied. Aber Melmoth war nirgends zu entdecken.
    Dann blökte Zora überrascht. Sie hatte ihren Hals nach hinten gebogen und starrte mit schimmernden Augen in den Himmel. Dort eilte eine einzelne dunkelgraue Gewitterwolke von temperamentvollen Winden getrieben über das Meer.
    »Er ist ein Wolkenschaf geworden!«, blökte Mopple.
    »Wolkenschaf!«, blökten die anderen Schafe aufgeregt. Jemand aus ihrer Herde hatte es geschafft!
    »Kommen Wolkenschafe wieder?«, fragte ein Lamm nach einer Weile.
     
    *
     
    Othello riss seine Augen vom Strand los und drehte sich zu Mopple, Maple, Zora und Cloud um, die noch immer mit einer Mischung aus Verehrung und Traurigkeit zu der zottigen grauen Wolke aufsahen. Othello überlegte, ob er es ihnen sagen sollte. Natürlich war Melmoth nicht zum Wolkenschaf geworden. Etwas viel Geheimnisvolleres war geschehen: Er war einfach durch den steilen Felsentunnel unter der Kiefer nach unten geklettert und hatte sich davongemacht. Manchmal ist Alleinsein ein Vorteil.
    Othello beschloss, den anderen nichts zu sagen. Sie hätten nicht mehr verstanden, sondern weniger. So wie er selbst. Je mehr er über Melmoth wusste, desto weniger verstand er. Zauberei. Und immer das beunruhigende Gefühl, dass Melmoth vollkommen verstand. Sich selbst, ihn, alle Schafe – sogar die Schäfer. Oder einfach nur verrückt war.
    Othello schüttelte den Kopf, um die Traurigkeit zu verjagen. Doch das Kopfschütteln half ihm nicht, ebenso wenig wie das Hufescharren.
    Was ihm half, war der Wind.
    Denn der Wind brachte – wer konnte sagen, woher? – ein Blatt mit und legte es vorsichtig vor Othellos Hufe. Ein goldenes Blatt. Herbstgolden. Schwalbenziehzeit. Zeit der Düfte, Paarungszeit. Wieder drehte er sich zur Weide zurück, wo Mopple, Maple, Zora und Cloud eine graue Wolke anhimmelten. Aber er sah keinen von ihnen. Was er sah, witterte, fühlte, mit allen sieben Sinnen und noch einigen neuen

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