1329 - Zombie-Nacht
Auch er schien der Hitze Tribut gezollt zu haben, denn er war nackt bis auf eine schmutzige, knielange Hose. Am Hals sahen wir eine relativ frische Wunde wie einen breiten Riss.
In der stickig warmen Dämmerung hatte ich es für besser gehalten, mir den Weg mit der Lampe zu leuchten. Das künstliche Licht erwischte seinen Kopf, und nur deshalb war er so gut zu sehen.
»War das nicht anders mit deiner neuen Freundin abgesprochen, John?«
»Justine Cavallo ist nicht meine Freundin.«
»Und was war abgesprochen?«
»Nicht viel. Nur dass wir uns hier in den Themseauen treffen sollen. An einem bestimmten toten Wasserarm.«
»Wo sich die Mücken das große Stelldichein geben.«
»Ich kann es nicht ändern.«
»Aber wir können ihn aus dem Weg schaffen.«
Sukos Vorschlag gefiel mir nicht. »Warte mal ab. Ich möchte keinen Stress in die Situation bringen. Justine hat ihn geschickt. Bestimmt nicht, damit er unser Blut trinkt.«
Suko lachte leise. »Ich spüre förmlich, wie er danach lechzt.«
Vor uns und hinter dem geduckt dastehenden Vampir plätscherte Wasser. Der Lampenkegel bewegte sich von der Gestalt des Blutsaugers weg. So sah ich, dass sich lange Grashalme und auch dünne Schilfrohre zur Seite bewegten, geteilt vom Bug eines Ruderboots.
Ich nickte und lächelte zugleich. Gesprochen hatte noch niemand, trotzdem war ich mir sicher, dass Justine Cavallo den Weg von der Wasserseite her zu uns fand. Denn mit ihr waren wir verabredet.
Noch vor einigen Wochen hätte ich mir das nicht träumen lassen.
Aber die Rückkehr des Schwarzen Tods hatte vieles verändert und auch Dinge auf den Kopf gestellt. Das Unnormale war zum Normalen geworden. Wir trafen mit Gegnern zusammen und redeten mit ihnen, die wir zuvor lieber vernichtet hätten.
Nun waren wir gezwungen, zusammenzuhalten. Es galt, gegen einen noch mächtigeren Gegner anzugehen, der auch auf diejenigen keine Rücksicht nahm, die eigentlich an seiner Seite hätten stehen müssen. Darauf allerdings hatte er noch nie etwas gegeben. Er war immer seinen eigenen Weg gegangen, schon damals im alten Atlantis. Dort hatte er mit aller Brutalität seine Zeichen gesetzt.
Das Ruderboot glitt noch etwas vor, dann war der Widerstand zu stark, und es blieb stehen.
Im Boot hockte tatsächlich Justine Cavallo. Das Licht erwischte ihr blondes Haar und ließ es noch stärker leuchten. Die Blutsaugerin winkte uns zu.
»Reißt euch zusammen. Denkt an die Sache und nicht daran, meinen Freund auszulöschen.«
»Wir könnten auch dich killen!«
Sie lachte nur, als sie mich gehört hatte.
»Was ist mit ihm?«
»Lasst ihn in Ruhe. Ich hatte Durst. Er wird euch bestimmt nicht angreifen.«
Davon waren wir nicht überzeugt. Ein Vampir konnte sich nicht zurückhalten und seine Triebe unterdrücken. Er würde irgendwann durchdrehen, um an das Blut zu gelangen.
Genau das wussten wir beide. Da war es uns völlig egal, wie die blonde Bestie darüber dachte. Ein existierender Vampir, der keine bestimmten Pläne verfolgte, bildete sowieso eine Gefahr.
Suko verfolgte die gleichen Gedanken wie ich. Er sagte nur:
»Überlass mir die Sache.«
»Bitte.«
Mein Freund schob sich an mir vorbei. Die Riemen der Peitsche hatte er schon ausgefahren. Als er seinen rechten Arm anhob, schien der Blutsauger zu merken, was ihm bevorstand.
Mit einer steifen Bewegung drehte er sich zur Seite weg, brach dabei in das Schilf ein und rutschte noch auf dem feuchten Boden aus. So trafen ihn die drei Riemen am nackten Rücken. Der Druck schleuderte ihn noch stärker nach vorn. Er fiel nach vorn, zwischen das Gras und die Schilfhalme. Wir hörten das dumpfe Geräusch, zusammen mit einem Klatschen. Dann war er nicht mehr zu sehen, allerdings zu hören. Als Mensch hätten uns seine Schreie erbarmt, nicht als Vampir. Es war besser, wenn er nicht mehr existierte.
Wir brauchten nicht nachzuschauen, was geschehen war. Er würde im Schlamm liegen bleiben und vergehen. Wir würden seine »Leiche« später entsorgen.
Justine Cavallo hatte alles mitbekommen. Sie stand sprungbereit in ihrem Kahn und presste durch die Zähne hervor: »Seid ihr jetzt zufrieden?«
»Ja!«, sagte Suko nur. »Wir können gleich mit dir weitermachen.«
»Dann versucht es mal.«
Wir hörten beide ihr Lachen. Sie wusste genau, dass Suko geblufft hatte, denn leider waren wir in manchen Situationen aufeinander angewiesen.
Man kann das Schicksal eben nicht beeinflussen. Die letzten Wochen waren zu turbulent gewesen, aber auch die Cavallo
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