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Glenraven

Glenraven

Titel: Glenraven Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marion Zimmer Bradley
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Sophie, während Aidris an jedem Baumstamm mit dem Fuß im Schnee stocherte. Jay blieb in der Hocke, hechtete um den Baum, bis ein dicker Stamm die Sicht auf die drei versperrte, und rannte in gebückter Haltung los. Ihr gefiel der Gedanke nicht, daß Aidris ihre beste Freundin als Markierungszeichen benutzt hatte. Sie wünschte, sie hätte die alte zwölfschüssige Browning ihres Vaters. Zwei Salven daraus würden alle Probleme Aidris’ sauber und schnell lösen und viele Probleme anderer Leute dazu.
    Aber sie hatte die Browning nicht. Sie hatte ein Schwert, einen Dolch, keinerlei Hilfe und keine Deckung mehr durch das Wetter. Und aus dem Schnee wurde Regen.
    Wie eine Zeile aus einem Song von Dan Fogelberg, dachte sie, und ärgerte sich über diesen abschweifenden Gedanken. Wieso lerne ich nie jemanden im Supermarkt kennen?
    Aber sie hatte jemanden in einem Verlies kennengelernt, und wenn das wahrscheinlich auch nicht für die Hitparade reichte, es hätte für ein schönes Leben reichen können. Das glaubte sie jedenfalls.
    Jetzt nicht mehr, dachte sie. Das Spiel ist vorbei.
    Sie hielt sich in Deckung und huschte lautlos zum nächsten Baum. Du wirst sterben für das, was du getan hast, alte Hexe, dachte sie. Du hast verdammt vielen Menschen weh getan, und du hast meine beste Freundin umgebracht, und wenn ich auch nicht die ganze Welt retten kann, ich kann meine kleine Kerze anzünden, ehe deine Freunde mir den Garaus machen.
    Sie lächelte finster. Das ist es. Mein Beitrag ans Leben. Mein einziger wahrer Erfolg. Nicht meine Bücher, nicht der Roman, zu dem ich nie gekommen bin oder den zu beginnen ich nie den Mut hatte, nicht die Kinder, die ich mir gewünscht habe, aber nie bekam. Das einzige, was ich je getan habe, das wirklich etwas ausmacht, ist das hier. Verdammter Mist.

KAPITEL NEUNUNDSECHZIG
     
    Die Warrags konnten den Leichnam nicht finden, Aidris konnte ihn auch nicht finden. Der Regen wusch den Schnee fort, und der Leichnam des Machnan-Zauberers hätte sichtbar werden müssen.
    Aber er war es nicht.
    Aidris glaubte nicht, daß die Warrags ihn fortgeschleppt hatten, um ihn zu fressen. Sie konnte noch immer Kampfgeräusche hören, und die Kreaturen waren nicht so dumm, mitten im Kampf aufzuhören, um einen Imbiß zu nehmen.
    Sie glaubte zu wissen, was geschehen war. Das Tor hatte sich auf dem Höhepunkt des Schneesturms zweimal geöffnet. Sie hatte es gespürt, wenn sie es auch nicht hatte sehen können. Sie erwartete einen Angriff, aber als er nicht erfolgte, hatte sie angenommen, daß die Menschen, die von ihr und ihrer Armee im Reich des Aregen eingekesselt waren, den Schneesturm als Deckung herbeigerufen hatten, um zu fliehen.
    Jetzt allerdings war sie der Ansicht, daß jemand - aus welchem Grund auch immer - herausgekommen war, den Leichnam genommen hatte und wieder zurückgegangen war.
    Sie mußte also den Torbaum auf die mühsame Art finden.
    »Schützt mich«, befahl sie, und drei Warrags nahmen ihre Stellung um sie herum ein.
    Sie wußte nicht, wieviel Zeit ihr noch blieb. Den Geräuschen nach zu urteilen war der Kampf heftiger geworden. Ihre Armee konnte ihr erst helfen, wenn sie die Angreifer besiegt hatte. Und vielleicht würden einige der Angreifer die Linien durchbrechen und zu ihr und ihren Wachen vorstoßen. Sie mußte durch das Tor, ehe man sie erreichte. Sie mußte so viel Kraft wie möglich aus dem Aregen-Reich ziehen und aus den bald schon leblosen Menschen, die sich dort verbargen.
    Sie zog ihre Schutzzauber dicht um sich und begann in einem leisen, monotonen Rhythmus zu singen, die Arme vor sich ausgestreckt. Während sie sang, fühlte sie, wie die Form der Magie des Geländes um sie herum wuchs. Ihr Kin und ihr Kin-hera, ein strahlender Blitz von etwas, das sich nach Aregen anfühlte, ungemein kraftvoll, der Baum. Ja. Sie ließ das Gefühl durch ihre Fingerspitzen strömen und drehte sich, bis der Sog am stärksten war. Sie folgte ihm, langsam, singend, ließ sich Zeit. Aus den Augenwinkeln nahm sie wahr, daß ihre Leibwache neben ihr und hinter ihr schlich, gespannt und auf alles gefaßt. Am Rande nahm sie auch das Kampfgeschehen wahr, eine Spannung in der Luft, ein Geschehnis, das sich ankündigte. Aber sie sang und ging weiter, bis ihre Finger den richtigen Baum berührten. Sie hörte auf zu singen, löste den Zauber, und jedes Gefühl von Magie erstarb.
    Und dann, ohne daß sie die geringste Mühe aufwenden mußte, spürte sie die Woge der Macht erneut, aber diesmal von der

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