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Gletscherkalt - Alpen-Krimi

Gletscherkalt - Alpen-Krimi

Titel: Gletscherkalt - Alpen-Krimi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan König
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sah den Lichtkegel gelb kommen und rot verschwinden.
    Irgendwie war er froh, ungestört zu bleiben. Aber
er wunderte sich auch, dass jemand einfach so an einem mit Warnblinker
abgestellten Fahrzeug vorbeifuhr.
    Er nahm die Kamera vors Gesicht, justierte das
aufgesetzte Blitzgerät und drückte ab.
    Es war schrecklich!
    Das Blitzlicht schuf für den Bruchteil einer
Sekunde eine bizarre, grelle, schreiende Szenerie.
    Das Mädchen war nackt. Sein Körper übersät von
winzigen Glassplittern. Die leuchteten im Blitz auf, und es sah aus, als
umhülle sie ein durchsichtiger, paillettenverzierter Stoff. Eine erotische
Modefotografie. Wäre da nicht das Blut gewesen, das viele Blut. Und das
fürchterlich entstellte Gesicht: Das Mädchen musste mit dem Kopf in die Scheibe
oder den Fensterholm gekracht sein, als das Fahrzeug in die Bäume gerast war.
    »Scheiße, scheiße, scheiße«, murmelte Tinhofer.
    Die rechte Gesichtshälfte war eingedrückt. Der
Mundwinkel zeigte verzerrt nach oben, aus der Augenhöhle kam ein Streifen Blut.
Das meiste Blut aber kam aus dem Kopf, wo die Haut auseinanderklaffte. Das Blut
rann ihr über die weniger versehrte Gesichtshälfte, zog dünne Spuren über den
Hals und lief bis auf die Brust.
    Tinhofer drückte den Auslöser.
    Im Blitzlicht erkannte er weitere Details. Er
wollte sie nicht sehen. Nicht hier, nicht jetzt. Erst in einer Stunde, wenn die
Dunkelkammer ihn beschützen würde.
    Ein Bein des Mädchens war unnatürlich nach innen
geknickt, sodass das Knie über dem anderen Oberschenkel lag. Und im
Unterschenkel hatten Knochen die Haut durchbohrt, ragten weiß aus dem Bein
heraus.
    »Gottverdammte Scheiße.«
    Er spürte, wie wichtig es war, in dieser Minute
seine eigene Stimme zu hören. Irgendwie beruhigte das, zumindest ein wenig.
    Ein weiterer Druck auf den Auslöser. Und noch
einer. Er bückte sich, um auch Spiss ins Bild zu bekommen.
    Der Kopf war auf die Brust gesunken, die Hände
lagen auf den Oberschenkeln, Blut war keines zu sehen. Spiss sah kaum anders
aus als ein Mann, der auf einer Parkbank am Innrain einem Herzschlag erlegen
war und den Tinhofer zu fotografieren gehabt hatte. Der Mann war schließlich
prominent gewesen – ein Schauspieler am Landestheater. Ansonsten hätte ja
niemanden das Bild eines Herzinfarktlers in der Zeitung interessiert. Er
erinnerte sich daran, damals gedacht zu haben, wie schön dieser Tod gewesen
sein musste: keine lange Krankheit, kein Dahinvegetieren auf einer
Intensivstation, stattdessen Blick auf die Nordkette des Karwendelgebirges, das
Rauschen des Flusses und das Rauschen des Verkehrs. Vielleicht ist gerade noch
eine junge Frau in einem verdammt aufreizenden Minirock vorbeistolziert.
Vielleicht hat er sich noch gedacht, wie das wäre, wenn er mit ihr … Und dann,
ratzfatz, von einem Moment auf den anderen: Weg. Aus. Äpfel. Amen.
    Tinhofer machte noch drei weitere Aufnahmen, und
bei allen waren beide Opfer des Verkehrsunfalls ins Bild gesetzt: im
Vordergrund das Mädchen, entstellt, nackt, blutig und zugleich glitzernd. Im
Hintergrund der Unternehmer Reinhold Spiss, in sich zusammengesackt, die Brust
leicht gegen das Lenkrad gedrückt. Tot.
    Dann packte er die Kamera zusammen, hängte sie
über die Schulter und wollte den Aufstieg zur Straße beginnen.
    Droben fuhr wieder ein Auto vorbei, es fuhr
Richtung Brenner.
    Ich muss schauen, dass ich hier wegkomme, dachte
er.
    Doch als der Motorenlärm des vorbeifahrenden
Wagens verklungen war, geschluckt von den Kurven und dem sie säumenden Wald,
hörte er neben sich ein Röcheln.
    Er hielt in seiner Bewegung inne, war körperlich
wie psychisch schlagartig wie versteinert. Und er hoffte inständig, sich
getäuscht zu haben.
    Die Anzeigen am Armaturenbrett gaben nicht viel
Licht, aber immerhin genug, dass er die beiden Verunglückten zumindest
schemenhaft erkennen konnte. Ein zarter bläulicher Schimmer lag auf ihnen. Es
sah gespenstisch aus. Tinhofer wollte nur weg.
    Doch das Röcheln war keine Einbildung. Es kam
leise und doch unüberhörbar aus der Tiefe des zerstörten Mädchenkörpers. Da war
noch Leben.
    Blödsinn, dachte Tinhofer. Leben! Das ist kein
Leben mehr! Das ist nix mehr. Gar nix mehr.
    Es sah, dass die rechte Hand des Mädchens, die
aus der Tür heraushing, zuckte. Nichts sonst regte sich. Aus dem Motorraum des
Fahrzeugs kam ein gleichmäßiges dünnes Pfeifen, so ähnlich wie bei einer
Fahrradpanne, wenn die Luft eines Reifens ganz langsam durch ein winziges Loch
entweicht. Aber

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