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Gletscherkalt - Alpen-Krimi

Gletscherkalt - Alpen-Krimi

Titel: Gletscherkalt - Alpen-Krimi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan König
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auf großartige
Stunden in einer Landschaft, die sie am allermeisten liebte: die Berge mit
ihren Felstürmen und Wänden. Mit ihren Gletschern und Graten und Kanten. Mit
den Bergwiesen und den tief eingeschnittenen Tälern. Mit den Almen und
Berghütten und den unzähligen Möglichkeiten, hier überall Abenteuer zu erleben.
    Nach einer Viertelstunde kamen drei Bergsteiger, die nur zu gern
bereit waren, sich mit Marielle und Pablo zu einer Fünferseilschaft
zusammenzuschließen und gemeinsam zum Pfaff hinaufzusteigen. Drei Stunden
Aufstieg lagen vor ihnen. Die etwas ferneren Bergspitzen schienen von der
aufgehenden Sonne plötzlich wie vergoldet. Der Himmel, jetzt in einem
einheitlich matten Blau, zeigte sich wolkenlos. Was würde das doch für ein
großartiger Tag werden.
    *
    Als Hellwage wie fast an jedem Tag um halb sieben aufwachte,
versuchte er ganz leise zu sein. Er schlich die Treppe von seiner Schlafkammer
hinunter und achtete darauf, nicht auf die beiden Stufen zu treten, die beinahe
immer knarzten. Mitten in der Wohnstube verharrte er eine Weile, ehe er an
eines der Fenster schlich und, vom Vorhang gedeckt, auf die Terrasse
hinauslurte. Alles bestens!
    Seine Erdschicht wies nichts Verdächtiges auf. Die Spur einer Krähe,
die einen unkonventionellen Tanz aufgeführt haben musste; ein Eichhörnchen oder
ein Marder oder so etwas Ähnliches hatte eine Ecke der Terrasse überquert, das
war alles.
    Kein menschlicher Fußabdruck.
    Wieder musste er an Robinson Crusoe denken und wie der auf seiner
menschenleeren Insel eines Tages einen Fußabdruck im Sand entdeckt hatte. Er
konnte sich vage daran erinnern, wie geschockt Robinson von dieser Entdeckung
war – und er war sich bewusst, dass sein eigener Schrecken kaum geringer
gewesen wäre, hätte er an diesem frühen Morgen entdeckt, dass ein Mensch des
Nachts um sein Haus geschlichen war.
    Hellwage war erleichtert. Zwar wusste er, dass seinem Experiment
nach nur einer Nacht nicht sehr viel Aussagekraft abzugewinnen war. Und doch
reichte ihm das positive Zwischenergebnis schon dazu, seine Sorge und seine
Angst zu relativieren. Die Nadel auf dem Risiken-Zähler in seinem Innern
schwenkte von Rot auf Grün.
    Ich hab mir das alles nur eingebildet, dachte er. Natürlich habe ich
mir das alles nur eingebildet.
    Er sperrte die Haustür auf und trat barfuß und noch im Schlafanzug
hinaus.
    Was für ein herrlicher Morgen, dachte er. Das oder so etwas
Ähnliches dachte er oft, denn das Südtiroler Klima bot reichlich wundervolle
Morgen und nicht minder wundervolle Tage.
    Herrlich, dachte er. Was für eine gute Luft.
    Er stapfte über seine erdüberzogene Terrasse auf die Wiese neben dem
Haus. Sie war kühl und klitschnass, und er genoss das. Er machte die paar
Schritte bergauf bis dorthin, wo der Mischwald sein Hanggrundstück begrenzte,
wandte sich dann um und genoss den Ausblick auf die von der Morgensonne
angestrahlten Wiesenhänge über dem Eisacktal. Ein Ausblick, der so voller Leben
war.
    Es war Hellwage zur Gewohnheit geworden, an Schönwettertagen aus dem
Haus zu gehen, seinen Pimmel aus dem knopflosen Schlitz seiner Schlafanzughose
zu pfriemeln und genussvoll auf seine Wiese zu pinkeln.
    Er mochte die Natur, durfte sich in diesen Momenten ganz eins mit
ihr fühlen, er war irgendwie stolz darauf, dass er trotz seines vorgerückten
Alters noch immer einen druckvollen Strahl urinieren konnte, und die
Möglichkeit, dabei von irgendjemandem rein zufällig gesehen zu werden, reizte
ihn als Ungebührlichkeit und erregte ihn bisweilen sogar sexuell: Es konnte
geschehen, dass sich sein Glied versteifte, während er noch die letzten Tropfen
daran abschüttelte.
    An diesem Tag aber traf ihn der Schlag.
    *
    Die Nacht war klar und kalt gewesen, der Schnee war jetzt hart
und griffig. Die Seilschaft, an deren Spitze Marielle ging, bewegte sich wie
eine lange Schlange in gleichmäßiger Geschwindigkeit über den Gletscher.
    Marielle war glücklich. Jeder Schritt auf dem Firn war ihr eine
Freude. Draußen sein, die Natur ganz unmittelbar erleben, die eigene Kraft
spüren und sich berauschen lassen von der Magie der hochalpinen Landschaft.
    Die drei anderen sind zwar nicht mehr die Jüngsten, dachte sie, aber
sie gehen gut, und man merkt, dass sie erfahrene Bergsteiger sind.
    Als sie den Gipfel erreicht hatten und vorerst einmal das sichernde
Seil ablegen konnten, stellte sich im Gespräch während der Gipfelrast heraus,
dass der Älteste von ihnen bereits über siebzig war – und

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