Gletscherkalt - Alpen-Krimi
ein
paar läppische Euro, für mich nicht. Ich habe keine Arbeit, und ich beziehe
auch keine Rente, falls du das vergessen hast. Ich studiere noch! Und
überhaupt: Was soll schon gewesen sein in diesen zwanzig Minuten, während
Manczic da drin war. Es waren nicht mehr als zwanzig Minuten, das schwöre ich
dir.«
Schwarzenbacher verzog das Gesicht. Es besagte, dass der Junge nicht
die geringste Ahnung hatte. Doch es dauerte nur ein paar Sekunden, bis seine
Züge weicher, versöhnlicher wurden.
»Pablo, denk mal nach: Wenn einer sich von Innsbruck aus mit Zug und
Bus zu den Kristallwelten auf den Weg macht – hier also schon mal Kosten und
Mühen nicht scheut, dann von seinem wenigen Geld, das er zur Verfügung hat,
einen gewiss ganz stattlichen Eintrittspreis berappt –, geht der dann rein,
rennt durch, ist nach zwanzig Minuten wieder draußen und steigt in den Bus? Das
wäre doch idiotisch, oder?«
Was hätte Pablo da entgegnen sollen? Natürlich hatte der alte
Kriminaler-Fuchs in allen Belangen recht. In den Kristallwelten war etwas
geschehen. Manczic musste einen anderen Grund für den Besuch gehabt haben als
die Freude an André Hellers Phantasien. Manczic hatte jemanden getroffen, mit
jemandem gesprochen, vielleicht irgendwas vereinbart. Nur was?
Und ich bin so nahe dran gewesen, dachte er.
»Jetzt mach nicht so ein Gesicht«, sagte Schwarzenbacher. »Die Welt
geht nicht unter deswegen. Wenn er jemanden getroffen und vielleicht etwas
besprochen hat, was für uns von Interesse gewesen wäre, dann hätte er es dir
wohl kaum zum Mitschreiben diktiert. Zu gut Deutsch: Du hättest eh nichts davon
mitbekommen. Aber es wäre immerhin interessant gewesen zu erfahren, mit wem er
sich da trifft. Hätte uns vielleicht etwas erzählt über ihn. Etwas, was wir
bisher nicht geahnt haben.«
Pablo musste nicht überzeugt werden. Er wusste, dass etwas
schiefgelaufen war. Und er hatte Angst. Eine undefinierbare Angst vor möglichen
Folgen.
Schwarzenbacher schien auch das zu bemerken.
»Mach dir nicht so viele Gedanken. Es ist vorbei, und es lässt sich
ohnehin nichts mehr ändern. Das, was dir jetzt passiert ist, ist jedem
Kriminalbeamten auch schon passiert. Und bestimmt mehr als nur einmal.«
Es war ein Trost für Pablo. Aber nur ein schwacher.
*
Das nächtliche Geräusch, das Hellwage neulich vernommen hatte,
und damit verbunden die unselige Erinnerung an den Mann von der Raschötz hatten
ihn sensibilisiert. Er ging jetzt immer erst zu Bett, nachdem er sich davon
hatte überzeugen können, dass Tür und Fenster gut verschlossen waren. Meist lag
er dann noch länger wach, horchte auf die knarzenden Geräusche, die ein altes
Haus, bei dem viel aus Holz gebaut ist, so von sich gibt. Er lauschte nach
draußen, aber seither vernahm er nichts Ungewöhnliches mehr.
Er hatte sich getäuscht. Freilich hatte er sich getäuscht.
Die Ursache des verstörenden Geräuschs vor einigen Nächten würde
gewiss eine ganz simple Erklärung haben, beschwichtigte er seine Befürchtungen.
Doch da war auch noch die Journalistenseele in ihm, der Zweifler,
der Skeptiker, der unstillbar Neugierige. Und diese Stimmen ließen sich nicht
mit gleichsam homöopathischen Mitteln ruhigstellen. Tagsüber, wenn er beim
Wandern war oder beim Einkaufen in Lajen oder wenn er auf seiner Terrasse vor
dem Haus saß, dann drängten sich diese Stimmen in den Vordergrund.
Was ist denn schon zu befürchten?, fragte er sich selbst. Ein
Einbrecher? Das erschien ihm am wahrscheinlichsten.
Seit die Region für Zweitwohnsitze und Ferienwohnungen immer
attraktiver geworden war, hatte es gelegentlich derartige Einbrüche gegeben –
vereinzelt nur, wie aus der »Dolomitenzeitung« zu erfahren war, und stets nur
dann, wenn niemand zu Hause war.
Meine Sorgen sind unbegründet, dachte er.
Doch er dachte auch: Man kann nicht vorsichtig genug sein.
Er hatte eine Idee.
Ein paar Tage später war Markt in Klausen. Auch wenn er
eigentlich nichts benötigte, fuhr Hellwage immer gerne hin. Die kleine Stadt mit
ihrem mittelalterlichen Ortskern, der Burg und dem einzigartig gelegenen
Kloster Säben hoch darüber war ihm oft einen Ausflug wert. Und beim Markt
genoss er es, den Händlern und den Bauern aufs Maul zu schauen, zu beobachten,
wie gefeilscht wurde und wie schließlich mit Handschlag und, bei größeren
Geschäften, auch noch mit einem Viertel Roten Kauf und Verkauf besiegelt
wurden.
Bei einem der Marktstände, die mit Pflanzen handelten, erwarb er
zwei
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