Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Glueck allein

Glueck allein

Titel: Glueck allein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sylvia Halcour
Vom Netzwerk:
flirten.
     

Schuldeingeständnis
     
    Noch immer stockte mein Atem, wenn ich eine Nachricht auf mein Handy bekam. Als ich sah, dass es Maria war, die sich nach meinem Vortrag erkundigte, rief ich sie gleich an. Ich erzählte ihr von Johannes Hilfe, von der großen Angst, Brandis demonstrativ skeptischem Blick, seinem Hüsteln und Räuspern, das jedoch mit jedem positiven Zeichen des Alten weniger geworden war. Sie lachte die meiste Zeit, nur unterbrochen von spitzen Bemerkungen über Brandis. Dann machte ich einen zeitlichen Sprung und erzählte ihr von der Nacht mit Jakob in der Fabrik. Das Lachen verging ihr mit einem Schlag. In jedem Wort konnte ich ihre Anspannung hören.
    Sie fragte, als hätte ich den Kuss nie erwähnt, als wäre das alles nie passiert: »Was hat er denn erzählt?«
    »Dass er wieder zu Hause einzieht«, sagte ich.
    Maria lachte, aber es klang merkwürdig verkrampft. »Habt ihr über mich gesprochen?«
    Plötzlich war sie ganz still.
    »Nein«, sagte ich. »Er weiß nicht, dass wir uns kennen.«
    Die Leitung knirschte.
    »Maria?«
    »Ja, ich bin noch da.«
    »Es tut mir leid«, sagte ich und Tränen schossen in meine Augen.
    Ihre Stimme wurde zu einem Flüstern. »Warum ausgerechnet er?«
    Ich konnte ihr hierauf keine Antwort geben. Bevor sie auflegte, sagte sie, aus ihr und Jakob wäre sowieso niemals etwas geworden. So hatte ich Hoffnung, sie würde mir verzeihen, aber dass sie mir jemals wieder vertraute, bezweifelte ich.
    Erneut erschrak ich, als das Telefon piepte. Diesmal war es Fibi, die zwar vergessen hatte, dass an diesem Tag mein Vortrag war, ihn jedoch sogleich als Argument für ihre Abendplanung heranzog.
    »Das müssen wir feiern«, sagte sie.
    »Tut mir leid, Fibi, ich habe schon was vor«, sagte ich und war froh, dass sie nicht fragte, warum ich verhindert war. Denn schon darüber zu sprechen, hätte mich vermutlich von meinem Vorhaben abrücken lassen.
     

Feuerwege
     
    Die Sonne legte einen rötlichen Schleier auf die Straßen und mein Fahrrad summte leise über den Asphalt. Blätter fielen von den Bäumen und segelten lautlos zur Erde. Der Sommer ist vorbei, dachte ich und beschleunigte den Tritt, so dass meine Oberschenkel brannten. Wie ein verwunschenes Schloss tauchte das stählerne Haus in der Dämmerung auf. In Julians Wohnung brannte Licht.
    Zitternd drückte ich auf die Klingel. Als er mir seine Wohnungstür öffnete, durchfuhr es mich wie ein Stromschlag. Dann war das Surren der Treppenhauslampen wieder da. Seine dunklen Augen hatten nur einmal aufgeblitzt.
    »Komm rein«, sagte er.
    Der Fernseher lief ohne Ton. Eine Nachttischlampe war an. Es roch nach abgestandenem Rauch. Es war seltsam, dass er nicht einmal fragte, warum ich kam.
    Zögerlich ließ ich mich auf der Kante seines Bettes, das ich damals nur so ungern verlassen hatte, nieder. Er reichte mir ein volles Glas Bier, aber ich konnte nicht trinken.
    »Warum bist du nicht aus?«, fragte ich in dem Versuch unbefangen zu wirken.
    Er lehnte mir gegenüber am Schreibtisch. »Ich gehe nie aus«, sagte er und mein Blick sank zu Boden. Meine dumme Frage, seine genauso dumme Antwort, die Wut über sein Verhalten, die Enttäuschung und Ohnmacht, die ich fühlte, nahmen mir die Sprache und ließen uns schweigen. Ein starres, düsteres Schweigen, das unser Versagen offenbarte.
    Der lautlose Fernseher wechselte das Licht. Wahrscheinlich war es ein Fehler gewesen hierher zu kommen. Wahrscheinlich war es besser zu gehen.
    Auf einmal sagte er: »Es tut mir leid.«
    Seine Worte hallten sonderbar im Raum. Tränen sammelten sich in meinem Unterlid und meine Füße zeichneten Kreise auf den Boden. Wieder wurde ich verlassen, obwohl ich längst verlassen worden war.
    »Es tut mir leid, Emilia, es war nur…« Er brach ab. Setzte erneut an: »Ich wollte ja, aber...«
    »Aber«, wiederholte ich innerlich. Ein kleines Wort mit der großen Macht alles zu verkehren. Wollte ich sein »aber«? Wollte ich dieses Gespräch? Dieses Gespräch, das keines war, da ich nicht mehr an ihm teilnahm.
    »Es tut mir leid«, sagte er zum dritten Mal, doch die Kraft seiner Worte war verdünnt.
    Ich begann zu zählen: Drei Entschuldigungen nach drei Wochen Versunkensein. Drei Mal verliebt, drei Mal verlassen, in drei Monaten. Seine Arme waren verschränkt. Es war diese Unerreichbarkeit, die mich so angezogen hatte.
    Er setzte neu an: »Es tut...«
    »Du musst dich nicht dauernd entschuldigen«, unterbrach ich ihn. »Gefühle sind da oder sie sind

Weitere Kostenlose Bücher