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Glueck allein

Glueck allein

Titel: Glueck allein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sylvia Halcour
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genau. Ihr beiden wollt mich immer nur loswerden. Ich habe euch immer nur gestört.«
    Pierre trank wortlos seinen Kaffee aus, zupfte sich nervös zwei Flusen von der Schulter, stand auf, rückte seinen Stuhl zurecht, griff seine Tasse, seinen Schlüssel, stakste kerzengerade an Johannes und mir vorbei, ohne uns eines Blickes zu würdigen, riss die Tür hinter sich zu, um sie im letzten Moment aufzuhalten, dass sie nicht ins Schloss knallte.
    Johannes sah verwundert zu mir herab: »Was ist denn bei euch passiert?«
    »Ich weiß es nicht.«
    »Was hat er denn gesagt?«
    »Nichts. Er ist einfach gegangen.« Tränen krochen in meine Augen. »Was soll er auch sagen?«
    »Was er sagen soll?«, fragte Johannes. »Vielleicht, dass es ihm leid tut? Dass er nicht bereit für eine Beziehung ist?«
    »Dass ich ihm nicht gereicht habe?«, fiel ich ihm ins Wort. »Das macht doch keinen Sinn, Johannes. Wenn man verlassen wird, fühlt man sich immer verraten.«
    Johannes legte seinen Kopf in den Nacken und schwieg. Nach einer Weile sagte er: »Frag ihn doch einfach, woran es lag.«
    Ich hob meinen Kopf. »Nein.«
    »Warum nicht?«
    »Nachher würde er sagen...« Ich brach ab.
    »Dass du ihm nicht gereicht hast?«, griff er meine Formulierung auf und seine Worte trafen mich so unerwartet, dass ich nichts mehr erwidern konnte.
    Johannes betrachtete mich ernst von der Seite. »Du kanntest ihn doch kaum.«
    Drei Wochen sind lang, wenn man die Nächte mitzählt, dachte ich, aber sprach es nicht aus.
    Johannes richtete sich ruckartig auf. »Und was ist jetzt mit deinem Vortrag?«
    Ich zuckte mit den Schultern. Nach Julians Verschwinden war die Stimme in mir, die mahnte und sich sorgte, einfach verstummt.
    »Ist er nicht übermorgen?«
    Ja, er war übermorgen. Aber ich hatte nichts mehr getan. Ich war bereit, alles über mir zusammenstürzen zu lassen.
    »Hol deine Sachen«, sagte Johannes plötzlich.
    »Was?« Stumpf sah ich ihn an.
    »Wir fangen jetzt an.« Er trat neben mich und berührte meinen Arm. »Jetzt hol schon deine Sachen, ich mache Kaffee.«
    »Das schaffe ich nicht«, erwiderte ich leise.
    »Doch«, sagte er und zog mich vom Boden hoch, so dass meine Weigerung erstarb.
    Er ging schließlich mit in mein Büro, da ich vorgab, für den Vortrag keine Unterlagen zu besitzen. Widerwillig zeigte ich ihm meine Notizen, die er zufrieden sammelte. In den folgenden Stunden des Nachmittags versuchte ich mich von seinem Optimismus und seinem Arbeitseifer nicht anstecken zu lassen. Dennoch spürte ich, wie mich jede Seite des Konzepts, das er mich zu schreiben zwang, innerlich beruhigte. Denn irgendetwas Kleines, Widerspenstiges in mir war nicht bereit, alles über sich zusammenstürzen zu lassen.
     

Vertrauensbeweis
     
    Ich weiß nicht, wie Johannes es geschafft hatte, meine Aufmerksamkeit zwei volle Tage auf den Vortrag zu lenken. Ich weiß nur, dass er mir unermüdlich Fragen stellte und sich mein Material zeigen ließ, eine Gliederung aufbaute und mit mir den möglichen Inhalt jedes Kapitels besprach, so dass sich das ganze Chaos zu einem in sich geschlossenen Ganzen zusammenfügte und ich meinen Kummer allmählich vergaß.
    »Du hast Glück«, sagte er immer wieder, »dass es nur ein Vortrag ist.«
    Im Grunde, erklärte er mit diesem zufriedenen Lächeln, das seit der ersten Minute unserer Zusammenarbeit auf seinen Lippen lag, sei ein Vortrag nicht mehr als eine Anreihung von Behauptungen, die erst in der schriftlichen Ausarbeitung eines weiteren Nachweises bedürften. Außerdem, so fügte er beinahe lachend hinzu, könne man ungeliebte Themen mit einem kurzen Hinweis vollständig umgehen.
    Am Abend vor dem Vortrag, wir standen schon am Ausgang des Instituts, reichte er mir eine goldene Uhr mit einem abgetragenen Lederarmband.
    »Damit ich nicht zu lange spreche?«, fragte ich mit einem Augenzwinkern, weil ich davon überzeugt war, nur wenig sagen zu können.
    »Schau sie dir an«, sagte er geheimnisvoll und strich über das Ziffernblatt: »Die Uhr ist älter als wir beide zusammen.«
    »Bringt sie wenigstens Glück?«, fragte ich.
    Er lachte kurz. Es war das erste Mal, dass ich ihn verlegen sah. »Nein, ich glaube nicht.«
    Ich nahm die Uhr und legte sie um meinen Arm. »Warum gibst du sie mir?«
    »Du trägst keine Uhr. Außerdem soll sie dich daran erinnern, dass es keinen Grund für dich gibt, solche Angst zu haben.«
    Seufzend nickte ich, wohlwissend von einem existentiellen, unbändigen Zittern überkommen zu

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