Glücksgriff
genauso wie sie nicht zu lachen. Chloe beugte sich zu ihm und flüsterte: »Du musst nicht bleiben.«
Als sie das sagte, stieß eine der anderen Frauen – die nicht ausgestochen werden wollte – ein Geheul wie ein Bergwolf aus und sank von ihrem Stuhl herab, um sich auf dem extra stabilen Teppich zusammenzurollen. Sie begann zu summen und dann ein Mantra zu singen.
»Omi matani … omi matani …«
Die Augen der Frau waren geschlossen. Sie schaukelte in ihren geblümten Latzhosen sanft von einer Seite auf die andere. Ihr Mann, der noch verlegener als zuvor war, flüsterte: »Gut, Liebes, du machst das toll, du schwimmst mit den Delfinen … stell dir einfach vor, wie du mit diesen Delfinen schwimmst …«
Chloe schnaubte und barg ihr Gesicht in Fenns Hemd. Er bebte so stark, dass er nicht sprechen konnte.
»Du gehst besser«, japste sie.
»Du machst Witze. Ich möchte das hier um nichts auf der Welt verpassen.«
»Mrs. Malone? Chloe Malone?«
Chloe, deren Augen noch immer vor unterdrücktem Lachen überliefen, sah zu der Schwester vor ihr auf. Hurra, die hatten ihre Daten endlich gefunden; jetzt konnte sie gehen, sich irgendwo hinlegen und eine Menge Medikamente bekommen.
»Das bin ich.«
Die Schwester sah auf Chloes Daten und blickte dann Fenn an. »Und Sie sind der Geburtspartner?« Sie runzelte die Stirn, da sie sein Gesicht von irgendwoher kannte. »Hier steht M. Carlisle.«
Fenn sah Chloe an. Sie aus der Telefonzelle heraus und ins Krankenhaus zu bekommen, war seine erste Sorge gewesen. Sobald das geschafft war, nahm er an, dass seine Aufgabe erledigt war. Jetzt sollte er Chloe viel Glück wünschen, zurück in den Salon fahren und Miranda seinen Platz hier überlassen.
Doch das war das Letzte, was er tun wollte.
»Sind Sie M. Carlisle?« Die Schwester klang zweifelnd.
Chloe, die nicht mehr lachte, schaute prüfend in Fenns Gesicht. Warum schoss er nicht zur Tür, in die Freiheit? Sicher sehnte er sich doch danach, aus diesem Irrenhaus zu kommen?
»Warten Sie, ich habe Sie im Fernsehen gesehen«, sagte die Schwester. »Sie sind Fenn Lomax.«
Fenn nahm Chloes Hand.
»Wenn du willst, bleibe ich.«
»Aber …« O Gott, erkannte Chloe plötzlich überwältigt, ich will, dass du bleibst, mehr als alles andere will ich das. »Aber du würdest es hassen. Schau, es ist wirklich nett von dir, aber du musst nicht höflich sein … du hast schon so viel getan.«
»Das ist nicht Höflichkeit, und ich würde es nicht hassen.« Fenn traute kaum seiner Stimme, solche Angst hatte er, das Falsche zu sagen. »Ich will nicht gehen, ja? Ich will bleiben. Bitte.«
Sie sahen sich an, wagten nicht sich zu bewegen. Die Schwester, die sie beide beobachtete, ließ ein paar Mal ihren Kugelschreiber klicken und sah dann demonstrativ auf die Uhr.
»Solange du nicht anfängst mit den Delfinen zu schwimmen«, fügte Fenn noch hinzu.
Die Frau, die auf dem Boden in ihrer engen Latzhose hin und her schaukelte, sah empört hoch.
»Das habe ich gehört.«
60
»Ahhhh!«, stöhnte Chloe, deren Augen vor Schweiß prickelten und deren Finger von der Anstrengung, Fenns Hand zu umklammern, schmerzten. Sie blinzelte und richtete den Blick auf ihre Zehennägel, die Miranda letzte Woche in einem blendenden Türkiston lackiert hatte. In Ordnung, okay, da war es wieder …
»Pressen, Chloe, pressen«, drängte die Hebamme, die wie ein Pförtner am Fuße des Bettes hockte.
Ehrlich, was dachte sie, dass sie zu tun versuchte – es wieder in sich hineinzusaugen?
»Fast so weit«, flüsterte Fenn ihr ins Ohr. »Los, du schaffst es.«
Die letzte Hebamme hatte ihre Schicht vor zwanzig Minuten beendet. Die Neue, die hereinstürmte, um sie abzulösen, war mittleren Alters, äußerst munter und trug einen Button mit der Aufschrift
Jesus rettet dich
vorne auf ihrer Uniform. Da sie keine Zeit hatte, Chloes Daten in Ruhe durchzulesen, hatte sie außerdem den Eindruck, dass Fenn der stolze zukünftige Vater war.
Nun, als Fenn den kalten Schwamm auswrang und ihr auf die Stirn drückte, musste Chloe zugeben, dass das ein Irrtum war, dem jeder hätte unterliegen können.
»In Ordnung, alles bereit jetzt für das letzte Pressen«, warnte die Hebamme, die ihre Finger in Vorbereitung auf das so wichtige Auffangen bog.
Atemlos sammelte sich Chloe. Es war, als wäre man eine olympische Gewichtheberin, die sich aufpeitschte … oh … nur dass diese die Möglichkeit hatte, wegzugehen … ah … ahh …
»Press jetzt ganz doll, meine Liebe,
Weitere Kostenlose Bücher
Die vierte Zeugin Online Lesen
von
Tanja u.a. Kinkel
,
Oliver Pötzsch
,
Martina André
,
Peter Prange
,
Titus Müller
,
Heike Koschyk
,
Lena Falkenhagen
,
Alf Leue
,
Caren Benedikt
,
Ulf Schiewe
,
Marlene Klaus
,
Katrin Burseg