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Glühende Lust

Glühende Lust

Titel: Glühende Lust Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laura Simon
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und der ihrer riesigen Pferde.
    Schanherib und seine Mannen schienen weder nach links noch rechts zu blicken, sie hielten auf den Per-Ao inmitten der Stadt zu, den großen, von einer weißen Mauer umgebenen Königspalast. Auch hier standen die Tore offen. Nefertems letzte Hoffnung, dass die zurückgebliebenen Getreuen Taharqas dem Ansturm standhielten, zerstob. Noch kämpfte ein Rest der königlichen Palastwache: Etwa zwanzig mit Schilden und Speeren bewaffnete Medjai wehrten sich erbittert gegen die assyrische Übermacht, die sich offenbar längst im gesamten Palast verteilt hatte. Der kampfeslustige Schanherib ritt in einem Bogen an den Rand des Geschehens und stieß den Speer über einen Handschild hinweg in die Brust eines riesenhaften Nubiers, der imBegriff gewesen war, einem Assyrer den Garaus zu machen. Mit einem Ruck riss er den Speer wieder an sich und wirbelte ihn hoch über dem Kopf, auf der Suche nach einem neuen Ziel. Hardu, der als einziger seines Trupps einen Schild mit sich führte, lenkte das Pferd an seines Herrn Seite, um ihn zu decken.
    Sie ritten zum Palasteingang.
    »Er ist der Sohn des Wesirs Mentuhotep!«, rief Schanherib am Eingangstor den assyrischen Wachtposten zu. »Bringt ihn zum …«, er stutzte und lachte schließlich, »zum Pharao.«
    Er riss sein Pferd herum und verschwand mitsamt seinen Männern. Nefertem war froh, dass der Ritt endlich sein Ende gefunden hatte. Jemand schnitt ihn los und zerrte ihn unsanft vom Pferd. Es kostete ihn alle Willenskraft, auf den Füßen zu bleiben und die Knie durchzudrücken. Eine Hand stieß zwischen seine Schulterblätter. Er betrat die angenehme Kühle einer großen Halle. Sie war ihm nicht fremd, einige Male war er in Begleitung seines Vaters hier gewesen. Aber die Korridore und Räume dahinter kannte er nicht. Überall liefen Männer in Rüstungen umher, aber auch Ägypter: Bedienstete, Schreiber und einstmals hohe Beamte, gescheucht von den Siegern. Auf den Armen trugen sie Papyrusrollenbündel, Kästen mit Schriftrollen, Siegeln, Tintensteinen und Binsenstängeln. Es war ein einziges Wirrwarr, durch das Nefertem von seinen neuen Bewachern geführt wurde. Einige der ägyptischen Würdenträger erkannte er wieder, aber er blickte an ihnen vorbei. Zu sehr schämte er sich seiner Fesseln.
    Sie gelangten wieder ins Freie, durchquerten ein Stück des Gartens und betraten das Gebäude dahinter.Auch hier trieben sich Assyrer herum, aber sie hatten nichts zu tun, standen nur müßig im Weg und unterhielten sich. Seine Begleiter mussten sich durchfragen. Sie gelangten an eine von zehn Männern bewachte Flügeltür. Ihr Rahmen war golden, der Türsturz von einer geflügelten Sonne beschirmt – der ägyptischen geflügelten Sonne. Hieroglyphen waren ins Türblatt eingeritzt und mit Gold ausgelegt: Dies war einer der Empfangsräume des Pharao.
    Einer der Wächter schob Nefertem durch die halbgeöffnete Tür. Ein riesiges Gemach, fast eine Halle, tat sich vor ihm auf. Mehr als zwanzig Männer hielten sich hier auf. Sie standen um einen ausladenden, mit Blattgold belegten Zedernholztisch. Nur einer saß: der König der Eroberer. Asarhaddon war in einen silberglänzenden Mantel gehüllt, sein Lockenkopf zierte ein Silberreif. Seine beringte Hand ruhte auf einem Schriftstück. Hunderte solcher Papyrusrollen lagen auf dem Tisch verteilt. Doch was Nefertem dort noch sah, jagte einen Stich durch sein Herz. Unbeachtet wie irgendein vergessener Tonkrug stand inmitten all der Papyri der Pschent, die rot-weiße Doppelkrone Ägyptens. Es hieß, die Uräusschlange und der Geierkopf an der Stirnseite der Krone seien fähig, einen boshaften Menschen mit einem Blick zu töten. Warum also lebten diese Männer noch? Die Schlange starrte ins Leere.
    Nefertem hielt Ausschau nach seinem Vater. Doch alle Männer, die sich hier aufhielten, waren Assyrer. Sie trugen Topfhüte mit gezackten Mustern, künstlich gelockte Bärte, Ketten aus farbenfrohen Schmucksteinen, alles umhüllende Fransengewänder. Manche hielten Amtsstäbe, die sie als hohe Würdenträger kennzeichneten. Manche trugen Schaffelle um die Hüften;vielleicht waren es Priester. Andere waren bis an die Zähne bewaffnet. Die Krieger schwiegen, während der Rest durcheinanderredete. Nefertem hörte die Männer von der vergangenen Mondfinsternis sprechen, die in ihren Augen ein günstiges Zeichen gewesen war. Sie priesen den königlichen Astrologen in ihrer Mitte, den Gott Assur und viele andere Götter.
    Müde rieb

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