Glühende Lust
sich der Eroberer die Schläfen. Als ein Diener ihm mit einem feuchten Tuch die Stirn erfrischen wollte, winkte er ab. »Es ist genug«, rief er.
Die Gespräche verebbten.
»Ich brauche Ruhe. Geht, lasst mich allein.« Er deutete auf einige Männer und wies sie an, am Abend wieder zu erscheinen. Alle traten zurück, beugten die Knie und verließen dann rückwärts gehend das Gemach. Auch die Leibwache schickte er hinaus. Nur ein Assyrer blieb zurück, der einzige bartlose. Der Eunuch räusperte sich und wies auf Nefertem.
»Das ist also Schanheribs Fang? Und Schanherib konnte sich nicht dazu aufraffen, ihn mir persönlich zu überbringen?« Der assyrische Großkönig erhob sich. Der glänzende Stoff seines Mantels raschelte. Mit einer Handbewegung winkte er Nefertems Bewacher hinaus. Der Eunuch verschloss die Tür.
Die plötzliche Stille war beinahe unerträglich.
»Falls Schanherib hart mit dir umgesprungen ist, bedauere ich das.«
Nefertem spürte flüchtig eine Hand an seiner Schulter. Da der Assyrer ihn überragte, starrte er geradeaus, um nicht zu ihm aufsehen zu müssen. Hinter einem Pfeilergang erstreckte sich die Rasenfläche des Palastgartens. Das Wasser eines Teichs glitzerte. Eine einsame Ente hatte sich dorthin verirrt, ungeachtet desTrubels. Sie tauchte, kam wieder hervor, schüttelte den Schwanz.
»Hast du einen Wunsch?«
Hundert Wünsche. Den Vater zu sehen. Zu hören, was alles geschehen und wie es den Daheimgebliebenen ergangen war. Sich einfach hinsetzen und ausruhen. Den Dreck herunterwaschen. Den Staub, den Schanheribs Pferd ihm beständig in die Kehle gewirbelt hatte, mit kühlem Wasser forttrinken. Noch vieles mehr, aber er sagte: »Binde mir die Hände los. Meine Schultern fühlen sich an, als seien sie aus Holz.«
Asarhaddons Brauen waren breit, seine Wangen hager, die Lippen in seinem gelockten Bart voll. Er roch nach fruchtigen Ölen – vielleicht der einzige Mann seines Volkes, der sich solch einen Duft gönnte. »Das ist schwierig. Ich weiß ja noch nicht, ob du mein Feind bist.«
»Natürlich bin ich dein Feind!«
»Und unbesonnen, wie mir scheint.« Er trat hinter ihn. Nefertem spürte seinen tastenden Finger an dem Gürtel. Doch statt ihn abzunehmen, gürtete der König ihn noch fester. Die lose Schnur, die Nefertem mit dem Sattel verbunden hatte, zog er heraus und band damit die gefesselten Hände an den Gürtel. Fassungslos stellte Nefertem fest, dass er seine Arme nun noch weniger bewegen konnte.
»Ich nehme dir die Fesseln ab, sobald du bewiesen hast, dass du folgsam bist – und kein Feind. Ich will dir nichts Böses.«
»Wo ist mein Vater? Kann ich ihn sehen?«
»Es geht ihm gut. Niemandem aus seinem Haushalt ist etwas zuleide getan worden. Aber jetzt denk nicht daran, nimm lieber ein Bad.« Asarhaddon winkte denEunuchen herbei, dem Nefertem folgen musste, über Gazellenfelle und syrische Teppiche hinweg, vorbei an einem mit kostbarem Königsleinen bedeckten Ruhebett.
Der Garten war verlassen, auch die Ente hatte sich davongemacht. Nur eine Frau kauerte im Gras.
Der Eunuch nahm ihm den Schurz ab und bat ihn mit einer höflichen Handbewegung, in das Becken zu steigen. Mit zweimaligem Händeklatschen rief er die Frau herbei und wies sie an, Nefertem zu waschen. Nefertem hatte das Erlebnis seiner Gefangennahme als höchst eigenartig empfunden, aber gefesselt in einem Teich zu baden, den zuvor der Pharao genutzt hatte, war wohl das Seltsamste, das er je erlebt hatte. Er fragte sich, ob er nicht vielleicht doch jeden Moment in seinem Bett aufwachen und all das mitsamt dem assyrischen Einmarsch als Traum entlarven würde.
Er lehnte sich mit den Schultern an den Beckenrand. Das Wasser reichte ihm bis zur Brust. Die Frau stand vor ihm, ihr ungegürtetes Leinenkleid trieb auf dem Wasser. Sie goss Öl in ihre Handfläche, verrieb es und fuhr damit durch seine kurzen Haare.
»Wer bist du?«, fragte er.
Mit den Augen wies sie zu dem Eunuchen. Offenbar durfte sie nicht sprechen. Aber dann flüsterte sie: »Ich bin eine Nebenfrau des Einen.«
Eine Gemahlin des Pharao wusch ihn. Nein, das konnte nicht wahr sein. Diese Hände hatten den Guten Gott berührt. Was hier geschah, war falsch, ein Vergehen gegen die heilige Maat, die Ordnung der Welt. Aber die Frau schien seine Bedenken nicht zu teilen, denn sie wusch ihn mit der versonnenen Inbrunst einer Dienerin. Er versuchte sich vorzustellen, es sei jeneSklavin, mit der er sich am Tag zuvor vergnügt hatte. Das misslang ihm,
Weitere Kostenlose Bücher