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Glut und Asche

Glut und Asche

Titel: Glut und Asche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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scharfen Sinne verrieten, obwohl an ihrem Äußeren nichts war, was sie von ganz normalen Bewohnern dieser Stadt unte r schied. Der eine war ein eher kleinwüchsiger Mann in unauffä l liger Kleidung, der andere eine schlanke Frau in einem elega n ten Kleid, deren Gesicht sich hinter einem schwarzen Spitze n schleier verbarg. Gewalt hing wie etwas Greifbares in der Luft. Andrej sah, wie nicht nur die nubische Kriegerin, sondern auch Meruhe selbst die Hand auf eine Waffe legte, die sie unter i h rem Mantel trug. Beide wirkten mit einem Male angespannt, wie sprungbereite Raubtiere, die ihr Gegenüber nicht fürcht e ten, sehr wohl aber respektierten. Doch dann trat der Mann, den er als Thure kennen - und als Loki hassen gelernt hatte, einen Schritt zurück und wandte sich mit einem Ruck um, und auch die beiden Vampyre verloren schlagartig das Interesse an ihrem Gegenüber - der gut gekleidete Mann an Meruhe und ihrer Dienerin, die Frau mit dem verschleierten Gesicht an Andrej. Sie musste ihn gesehen haben. Ihre Blicke hatten sich getroffen. Dennoch blieb der verräterische Schrei aus, es gab kein Wort oder auch nur eine Geste. Die beiden Vampyre wichen einfach zusammen mit ihrem Herrn zurück, wie stumme Wächter, deren Aufgabe es nicht war, von sich aus zu reden oder auch nur zu denken, sondern nur zu gehorchen.
    Meruhe sagte ein einzelnes, zornig klingendes Wort in jener fremden und doch zugleich so vertraut anmutenden Sprache, drehte sich zornig um und verschwand mit wehendem Mantel, begleitet von ihrer Kriegerin, die die ersten zwei oder drei Schritte rückwärtsgehend zurücklegte, bevor auch sie sich u m wandte und dann mit schnellen Schritten aus dem kleinen B e reich der Halle verschwand, den Andrej von hier oben aus s e hen konnte. Er spürte, wie Abu Dun neben ihm lautlos, aber zutiefst erleichtert aufatmete und sich kriechend zurückziehen wollte, doch jetzt war er es, der dem Nubier die Hand auf den Arm legte und den Kopf schüttelte.
    Auch unter den anderen Männern und Frauen dort unten war Unruhe ausgebrochen. Die Stimmung war nicht zitternd und gewaltbereit wie gerade, als Meruhe und Loki aufeinanderg e troffen waren, sondern nervös und unentschlossen. Es wurde geredet und heftig gestikuliert, und einer der beiden schlanken, hochgewachsenen Schwarzen wandte sich plötzlich ebenfalls mit einem Ruck ab und ging. Loki selbst stand für die Dauer von zwei oder drei endlos erscheinenden Atemzügen einfach reglos da und starrte hasserfüllt in die Richtung, in der Meruhe und die andere Unsterbliche ve r schwunden waren, dann aber erwachte er aus seiner Starre und ging zu dem Jungen.
    Andrej spürte, wie Abu Dun sich neben ihm erneut anspan n te, und auch er selbst empfand plötzlich eine sonderbare M i schung aus Überraschung und ungläubigem Staunen, als der Unsterbl i che mit Frederic zu reden begann. Was hatte Loki mit diesem Jungen zu tun?
    Die beiden redeten zu leise - und in einer ihm nicht verstän d lichen Sprache -, als dass er den Sinn der Worte verstehen konnte, aber Frederic nickte einige Male, und auch wenn A n drej nicht verstand, was die beiden besprachen, so war diese Unte r haltung doch ... beunruhigend. Denn eines war ihm sofort und vollkommen klar: Loki und dieser Junge sahen sich nicht zum ersten Mal.
    Der Junge wirkte nicht ängstlich. Er machte zwei - oder dreimal eine Bewegung, wie um seine Zustimmung anzudeuten. Doch hätte Andrej nicht genau gewusst, wie absurd allein die Vorstellung war, Frederics Gesten hätten auch befehlend und u n willig sein können.
    »Wir sollten unser Glück nicht unnötig auf die Probe ste l len«, raunte Abu Dun neben ihm.
    Auch damit hatte er selbstverständlich recht, auch wenn A n drej sehr sicher war, dass das, was sie gerade erlebt hatten, nichts mit Glück zu tun gehabt hatte. Die Vampyrin hatte ihn gesehen. Es war nicht nur ihr Blick gewesen, den er gespürt hatte. Er hatte das Erkennen gefühlt und das Raubtier in ihr, ebenso stark und gierig wie das, das tief in ihm immer heftiger an seinen Ketten zerrte und sich auf den verhassten Feind stü r zen wollte. Warum hatte sie sie nicht verraten?
    Endlich erlangte sein Verstand genug Kontrolle über seine Gefühle zurück, dass er langsam drei oder vier Schritte vom Rand des Loches wegkriechen konnte, bevor er sich auf Hände und Knie und nach einem weiteren Stück endgültig aufrichtete. Abu Dun tat es ihm gleich, und wenn es überhaupt noch eines Beweises dafür bedurft hätte, wie groß die

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