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Glut und Asche

Glut und Asche

Titel: Glut und Asche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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achten, schob Andrej sich das letzte Stück auf dem Bauch kriechend weiter.
    Sicherlich zehn oder noch mehr Meter unter Ihm erstreckte sich ein weitläufiger Raum, der einen guten Teil des gesamten Erdgeschosses einnehmen musste. Durch die zerbrochenen Fenster drang helles Sonnenlicht herein, In dem Staub tanzte. Überall lagen Trümmer; heruntergefallene Teile der Decke und Gla s scherben, Steine, Schutt. Andrej erkannte drei mannshohe und fünfmal so große hölzerne Bottiche, In denen früher vie l leicht einmal Tierhäute gegerbt worden waren, die jetzt aber nur Schutt und einige tote Ratten enthielten. Das L e ben war längst in Form von Moos und Unkraut und schmier i gem grünem und schwarzem Schimmel in die verlassene Halle zurückgekehrt, doch die drei Bottiche waren tot, und sie sahen auch ganz so aus, als würden sie es noch sehr lange bleiben - vielleicht für immer.
    Darüber hinaus hielten sich allein in dem kleinen Bereich des Raumes, den er überblicken konnte, ein gutes Dutzend Pers o nen auf. Zwei davon kannte er - die eine war Meruhe, die and e re ein Junge von vielleicht zehn oder zwölf Jahren. Die anderen erkannte er nicht -wenigstens nicht auf den ersten Blick -, aber zumindest zwei kamen ihm trotzdem auf beinahe unheimliche Weise bekannt von Vielleicht hatte er sie noch nicht gesehen, sehr wohl aber Männer wie sie. Beide waren genauso groß wie Abu Dun und ebenso schwarz, aber von schlankem Wuchs, was sie durch ihre enorme Größe beinahe dürr erscheinen ließ. Und sie trugen auch keine schlichten weißen Gewänder mehr; so n dern elegante Kleider; in denen selbst sie sich in dieser Stadt einigermaßen unauffällig bewegen konnten.
    Andrej war jetzt nahe genug, um die Stimmen deutlich zu verstehen, aber das nutzte ihm nichts. Das Gespräch wurde nun endgültig ganz in einer Sprache geführt, die er noch niemals gehört hatte, obwohl sie irgendetwas tief in ihm anzurühren schien.
    Der Boden unter ihm vibrierte sacht. Andrej drehte rasch den Kopf und warf Abu Dun einen warnenden Blick zu. Der Nubier hatte dasselbe getan wie er und kroch auf dem Bauch näher; erstarrte aber jetzt und robbte dann zentimeterweise weiter; d a mit sich nicht etwa ein Trümmerstück löste oder auch nur Staub von der Decke rieselte und sie verriet.
    Eine weitere Gestalt trat in Andrejs Blickfeld, und die Zeit selbst hielt den Atem an.
    Der Mann war groß - nicht so groß wie Abu Dun, aber gr ö ßer als Andrej - und nach der neuesten Mode gekleidet, bis hin zu einem albernen Gehstöckchen mit einem auffälligen gold e nen Knauf. Sein Haar war jetzt schwarz und kurz geschnitten, und anstelle des ungepflegten Bartes mit den Essensresten einer Woche trug er nun glatt rasierte Wangen.
    Aber Andrej hätte ihn auch erkannt, wenn er sich mit einem Messer das Gesicht heruntergeschnitten und es durch ein and e res ersetzt hätte.
    »Mach jetzt keinen Fehler«, flüsterte Abu Duns Stimme an seinem Ohr »Wenn du jetzt einen Fehler machst, dann war alles umsonst.«
    Aber wie konnte er das? Unter ihm stand der Mann, den er mehr als die Lebensspanne eines normalen Menschen lang g e jagt hatte. Der Mann (war es überhaupt ein Mann?), der ihm alles genommen und sein Leben in einen niemals endenden Albtraum verwandelt hatte. Wie konnte er ihn gehen lassen, und sollte es sein Leben kosten, es nicht zu tun?
    »Loki«, flüsterte er. »Das ist Loki.«
    »Ich weiß«, antwortete Abu Dun. »Du hattest recht, und ich unrecht, die ganze Zeit üben Aber wenn du jetzt dort hinunte r gehst, stirbst du.« Er legte fast sanft die Hand auf seinen Obe r arm. »Und ich auch, denn ich werde dich begleiten.«
    Vielleicht war es das, was die Entscheidung brachte, vie l leicht gewann auch im allerletzten Moment doch noch seine Vernunft die Oberhand, oder er war durch die Wucht der Erei g nisse einfach gelähmt. Er sollte den wahren Grund nie erfahren. Abu Dun und er starben nicht an diesem Tag und Loki auch nicht. Wie betäubt sah er weiter zu, wie der große Mann mit dem harten Gesicht zu Meruhe trat und nur einige wenige Wo r te mit ihr wechselte. Andrej verstand sie so wenig wie Meruhes Antwort, aber der scharfe Ton sagte ihm genug. Eine weitere ganz in Schwarz gekleidete Gestalt trat hinzu und demonstrativ an Meruhes Seite - eine ihrer nubischen Dienerinnen, die ihrer Herrin beisprang. Der Mann, den er als Loki kannte, lachte nur hart und hob die Hand, und wie aus dem Nichts tauchten auch an seiner Seite zwei Gestalten auf, Vampyre, wie ihm seine

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