Glut und Asche
Frederic prallte so wuchtig gegen ihn, dass er z u rücktaumelte, das Gleichgewicht verlor und so schwer auf das Hinterteil plumpste, dass selbst Andrej den stechenden Schmerz zu spüren glaubte, der durch sein Steißbein schoss.
»Wohin so eilig?«, erkundigte sich Abu Dun feixend.
Andrej warf ihm einen ärgerlichen Blick zu, sah dann auf Frederic hinab und strecke die Hand aus, um ihm auf die Beine zu helfen, während er sich zugleich um ein beruhigendes L ä cheln bemühte. Er spürte allerdings selbst, mit wie wenig E r folg.
»Du musst keine Angst haben«, sagte er »Wir tun dir nichts.« Fast kam er sich lächerlich vor bei diesen Worten, und sie zeigten auch nicht die erhoffte Wirkung. Frederic begann am ga n zen Leib zu zittern. »Bitte ... bitte, tötet mich nicht!«, stammelte er. »Ich ... ich wollte doch nur...«
»Niemand wird dir etwas tun«, sagte Andrej ruhig. »Ich nicht und auch Abu Dun nicht. Er ist ein Freund.«
»Ich nehme an, das ist Frederic?«, grollte Abu Dun. Er hatte zwar arabisch gesprochen, aber er klang nicht wie ein Freund. Die Angst in Frederics Augen loderte noch einmal hellen A n drej brachte den Nubier mit einer unwilligen Geste zum Schweigen.
»Was tust du hier?«, fragte er, an Frederic gewandt.
Der Blick des Jungen flackerte. Panik brannte wie eine weiße Flamme hinter seiner Stirn. »Ich ... ich sollte euch nur ... Mister Smith hat gesagt ...« Er starrte auf die tote Vampyrin hinab. »Warum habt ihr sie umgebracht?«
»Es ist nicht so, wie es aussieht«, sagte Andrej. Er wusste, wie sich das anhörte, und er fragte sich, warum er das Gefühl hatte, sich vor diesem Jungen rechtfertigen zu müssen.
»Mister Smith?«, fragte Abu Dun, diesmal auf Englisch. E r zog eine Grimasse. »Wie originell.«
Andrej wünschte sich, er würde endlich den Mund halten ... auch wenn er ihm insgeheim recht gab.
»Der Mann, mit dem du gerade gesprochen hast?«, fragte er.
Frederic sah ihn aus großen Augen an. »Warum ... habt ihr sie ... getötet?«, murmelte er stockend. »Sie ... war nett.«
»Es war genau anders herum. Sie wollte uns töten. Wir mussten uns wehren.« Ja, das klang durchaus überzeugend, wie er in Frederics Blick las, nachdem der Junge den Blick zuerst über ihn, dann den gut zwei Meter großen Nubier und schlie ß lich die tote Frau zu seinen Füßen, die allerhöchstens hundert Pfund wiegen konnte, hatte gleiten lassen.
»Diese Frau war nicht das, wofür du sie hältst«, sagte er, so sanft er konnte. Natürlich würde Frederic ihm nicht glauben. Wie konnte er das? Trotzdem fuhr er fort: »Sie war kein Mensch, wie du sie kennst, Frederic. Ich kann es dir jetzt nicht erklären, aber...«
»Sie ... sie war wie er, habe ich recht?«, murmelte Frederic.
»Er?«
»Mister Smith.« Frederics Blick tastete ängstlich über das mit Blut besudelte Gesicht der Toten und blieb an ihren spitz g e feilten Eckzähnen hängen. Die Angst in seinen Augen nahm noch einmal zu.
»Er... er war wie ... er ist wie sie.«
»Loki?« Andrej nickte erst, schüttelte dann aber den Kopf. Er gemahnte sich, dass für den Jungen eine Welt zusamme n brechen musste. Es half weder ihm noch ihnen, wenn er ihn übe r forderte. »Ja«, sagte er. »Wenigstens ... ungefähr.«
»Sir?«, hauchte Frederic.
Andrej wollte antworten, doch Abu Dun k a m i hm zuvor, i n dem er ihm die Hand a uf d ie Sc hult er legte und ihn einfach zur Seite schob . » D as m u ss se hr verwirrend für dich sein, me i n Jung e sagte er. Wir kennen diesen Mann. Abe r unt er einem a n deren Namen.«
»Ich weiß«, sagte Frederic.
Jetzt wirkte auch Abu Dun verwirrt. » Du weißt?«, wiede r holte er. »Woh er? «
»Er hat es mir gesagt«, antwortete Frede ri c, mit flacher, n a hezu ausdrucksloser Stimme und ohne dass sein Blick das G e sicht der Toten losließ. »Gerade als er mir aufgetragen hat, mit euch zu sprechen.«
Abu Dun starrte ihn einen halben Herzschlag lang nur ve r stört an, fuhr dann auf dem Absatz herum und wandte sich zur Tür, und Frederic machte eine rasche, beruhigende Handbew e gung. »Nein, ihr braucht keine Angst zu haben. Ich bin allein.«
»Was soll das heißen?«, schnappte Abu Dun. Er klang plöt z lich überhaupt nicht mehr freundlich.
Aber das schien den Jungen nicht zu beeindrucken. Vie l leicht, dachte Andrej, war er nicht mehr imstande, einen noch größ e ren Schrecken zu empfinden, als es ohnehin der Fall war »Er hat mir aufgetragen, mit euch zu sprechen. Ich soll euch etwas
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