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Gnade deiner Seele: Psychothriller (German Edition)

Gnade deiner Seele: Psychothriller (German Edition)

Titel: Gnade deiner Seele: Psychothriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lisa Unger
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zusammenzucken. Das Weinen war Vorwurf, Anklage und Urteil in einem.
    »Ja, Kevin«, sagte Paula. Ihre anfängliche Fröhlichkeit war verschwunden. »Danke für den Tipp.«
    »Ich wollte dich nicht …«
    Aber sie hatte schon aufgelegt.
    Im Supermarkt war Elton John der Meinung, draußen im Weltall fühle man sich einsam. Elton sang, er entspreche nicht dem Bild von Mann, dass man sich zu Hause von ihm gemacht habe. Kevin verstand nur zu gut, wie das gemeint war. Er schlenderte durch die endlosen, mit grellbunt verpackten Kunstprodukten aufgefüllten Gänge – fettreduziert, zuckerfrei, kohlehydratarm, ohne gesättigte Fettsäuren, cholesterinfrei, schlank machend, zwei zum Preis von einem, alles bio. In der Säuglingsabteilung dominierten Rosa, Hellblau und Pastellgelb. Er suchte nach der grün-braunen Verpackung jener Windelsorte, die Paula für die Kleine bevorzugte – aus recyceltem Material und biologisch abbaubar. Diese Bio-Bewegung konnte ihn wirklich auf die Palme bringen. Seit der industriellen Revolution hatten die großen Konzerne die Natur geplündert und geschändet, sie hatten Luft und Wasser verpestet, den Regenwald abgeholzt und den Boden vergiftet. Und nun sollte auf einmal das Individuum den Planeten durch persönlichen Einsatz retten, indem es für Bioprodukte den doppelten Preis bezahlte, was letztendlich nur den Gewinn jener Konzerne vergrößerte, die für die Erderwärmung und die Ausbeutung der natürlichen Ressourcen verantwortlich waren, ganz zu schweigen von Fettleibigkeit und den dadurch bedingten Erkrankungen. Das war einfach zu viel für ihn.
    An einer der vielen Kassen saß ein junges, hübsches Mädchen und blätterte gelangweilt in einem Promi-Magazin. Wie hieß sie gleich? Weil er seine Brille nicht trug, konnte er ihr Namensschild nicht entziffern. Tracie? Trixie? Trudie?
    »Hallo, Mr. Carr. Heute habe ich Ihre Frau und Ihre Kinder gesehen«, sagte sie und zog seine Einkäufe über den Scanner. Windeln: zwölf Dollar neunundneunzig, Fiebersaft: acht Dollar neunundvierzig. Ein Blick auf die Titten einer Zwanzigjährigen: unbezahlbar. Dafür brauchte er keine Brille.
    Paula hatte Cameron bis zu seinem zweiten Geburtstag gestillt und einen Monat später festgestellt, dass sie erneut schwanger war. Bei Claire betrug die Stillzeit inzwischen achtzehn Monate, dabei hatte Paula ihm versprochen, diesmal nach einem Jahr aufzuhören. Sie waren dazu übergegangen, ihre Brüste als Gebrauchsgegenstände zu betrachten, die ohne Hintergedanken ausgepackt wurden, sobald Claire zu jammern anfing. Die Zeit der spitzenbesetzten Push-up- BH s und seidenen Negligés war vorbei. Wenn Paula überhaupt einen BH trug, war er mit diesem Schnappmechanismus ausgestattet, damit das Baby trinken konnte. Tracie-Trixie-Trudie trug wahrscheinlich nur hübsche, knappe Wäsche, und an ihren pfirsichweichen Brüsten hing kein Baby, das allen Sexappeal aus ihr heraussaugte.
    »Was für ein Glückspilz Sie sind«, sagte das Mädchen, »bei so einer netten Familie!«
    »Stimmt«, sagte Kevin und warf einen Blick in seine Brieftasche. Wie immer war sie leer. Er starrte auf sieben Kreditkarten, die bunt und höhnisch in den Lederschlitzen steckten. Er konnte sich nicht erinnern, welche noch nicht gesperrt war. »Ich habe wirklich Glück.«
    Lächelnd reichte er ihr seine Visa-Platinkarte und hielt die Luft an, bis das Pad seine Unterschrift forderte.
    Kevin wusste, was das Mädchen sah, wenn sie ihn betrachtete, und er kannte den Grund für ihr bezauberndes Lächeln. Sie sah eine Breitling-Uhr, einen Anzug von Armani, einen mit Diamanten besetzten Ehering. Die Gegenstände, die er am Körper trug, waren mehr wert, als sie in einem ganzen Jahr verdiente. Wenn sie ihn betrachtete, sah sie sein Geld, nicht den haushohen Schuldenberg, den die Anschaffungen ihm beschert hatten. Die Leute nahmen immer nur die schillernde Oberfläche wahr. Was darunter lag, was wirklich zählte, interessierte niemanden.
    »Haben Sie einen Einkaufsbeutel dabei?«, fragte sie mit einem strahlenden Lächeln und drohte ihm scherzhaft tadelnd mit dem Zeigefinger.
    »Nein«, sagte Kevin. Er spielte den Zerknirschten. »Aber es geht auch so, ich brauche keine Tüte.« Er griff nach der Windelpackung und dem Hustensaft und lief zum Ausgang.
    »Sie haben einen Baum gerettet, Mr. Carr!«, rief sie ihm nach. »Gut gemacht!«
    Ihr jugendlicher Elan gab ihm das Gefühl, hundert Jahre alt zu sein. Und gerade als er den überdachten Eingangsbereich verließ,

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