Gnadenlos (Sara Cooper)
dämmrig, aber bald würde die Sonne aufgehen. Sara hatte mehrfach versucht, Matt, Cruz und ihre Schwester zu erreichen, vergebens. Jetzt war ihr Akku leer und sie feuerte ihr Handy in die Tasche. „So ein Mist.“ Ihr Unbehagen wuchs. Sie stand auf und band sich ihre Haare zu einem Zopf zusammen. Tom beobachtete sie. „Wie kann das sein?“, fragte Sara. „Verhaftet? Warum ist davon nichts offiziell, verdammt? Tom, was ist das für ein Informant? Sprich mit mir!“ Sie war kurz davor, die Fassung zu verlieren.
Tom wich Saras Blick aus. Die ersten Sonnenstrahlen funkelten auf dem Wasser, er atmete tief ein, bevor er schließlich antwortete. „Hier passieren oft Dinge, die man nicht versteht. Schon gar nicht, wenn man nicht von hier ist.“ Er hatte die Kiefer aufeinandergepresst, die Anspannung stand ihm deutlich im Gesicht.
„Wie meinst du das? Willst du mir sagen, dass es normal ist, wenn eine Gruppe von Jugendlichen verschwindet und niemand will etwas davon wissen? Oder wenn sich Wochen später ein Informant bei dir meldet und dir mitteilt, dass Mia im Gefängnis sitzt und ihr die Todesstrafe droht? Ich bitte dich.“
Tom stand auf und blickte sie an. „Doch, genau das will ich dir sagen. Mit Geld ist hier alles möglich. Kapierst du das nicht?“
Sara winkte ab. „Korruption ist mir ein Begriff. Auch in den Staaten gibt es sie. Aber trotzdem, warum Mia? Und was ist mit den anderen?“
Er schüttelte den Kopf und ging in die Knie. „Ich weiß es nicht, Sara.“ Seine Antwort klang gereizt. „Genau das leuchtet mir auch nicht ein. Sie muss für irgendjemanden eine Bedrohung darstellen.“
Sara schnaubte. „Tom. Mia ist 18 Jahre alt, kommt aus gutem Haus und ist mit Sicherheit für niemanden eine Bedrohung“, stellte sie klar, unfähig, ihre Wut zu unterdrücken.
„Mein Gott, ich weiß es doch auch nicht. Ich versuche, dir zu helfen“, erwiderte Tom verärgert.
Sara atmete tief ein und beruhigte sich langsam, sie setzte sich wieder. „Ganz ruhig. Wir dürfen jetzt nicht die Nerven verlieren“, erwiderte sie leise, während am Horizont die Umrisse der Fähre erkennbar wurden, die sich langsam näherte. Die Temperaturen waren in den letzten Minuten wieder auf über 30 Grad gestiegen, Saras Top war schon durchgeschwitzt. „Es tut mir leid“, sagte sie schließlich. „Wir müssen Mia einfach finden. Woher weißt du, dass sie in Bangkok ist?“
„Sie sitzt in Untersuchungshaft. Mehr weiß ich auch nicht.“
„In U-Haft? Wir sind doch hier nicht auf dem Mond!“ Sara war wieder auf hundertachtzig. „Warum weiß davon niemand? Meine Kollegen hätten mir längst Bescheid gesagt, wenn sie davon wüssten.“
Tom sprang auf. „Dann wissen sie halt nicht Bescheid!“, rief er. „Da kommt die Fähre. Wir wissen mehr, wenn wir in Bangkok sind.“ Sie verfielen in ein feindseliges Schweigen. Sara hatte das Gefühl, sie hätte sich in einem Netz aus Lügen verfangen und es beunruhigte sie zutiefst, dass sie nicht wusste, wer die Fäden spannte.
Kapitel 33
Bangkok
Mia schreckte aus dem Tiefschlaf hoch. Sie registrierte nur langsam, was passierte. Sally wurde unsanft vom Boden hoch gerissen und aus der Zelle gebracht, drei Uniformierte waren bei ihr. Mia sprang auf und hielt ihre Freundin fest. Alles ging sekundenschnell. Einer der Polizisten schlug Mia mit der Pistole ins Gesicht, sodass ihre Lippe aufplatzte und sie Sally losließ. Sie stolperte und fiel unsanft auf den Rücken. Im nächsten Moment spürte sie den bitteren Geschmack von Blut im Mund. Ihre Freundin war schon auf dem Gang und rief nach ihr, die blanke Angst stand ihr ins Gesicht geschrieben. Mia raffte sich auf umgriff die Gitterstäbe. Tränen liefen ihr übers Gesicht. „Sally“, rief sie. „Was passiert hier?“ Doch Mia kannte die Antwort. Das Mädchen wurde durch den düsteren Gang davon gezerrt, sie war barfuß und wirkte völlig hilflos. Sie war nun schon so weit weg, dass Mia ihre Worte nicht mehr verstand, aber sie las sie von Sallys Lippen ab. „Nein, bitte nicht.“ Ihr Gesichtsausdruck schnitt Mia ins Herz.
Mia hetzte über die noch schlafenden Frauen zum Fenster. Alleine stand sie an der kleinen Luke und blickte auf den Hof. Draußen war die Sonne aufgegangen und das Licht war grell. Sie suchte verzweifelt den Hof ab. Da wurde eine Tür geöffnet, Sally wurde in die Mitte des Platzes geschleift. Mia schrie. Sie schrie, so laut sie konnte.
„Sally, hier, ich bin hier!“, keuchte sie, bis ihre Freundin sie an
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