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Godspeed Bd. 1 - Die Reise beginnt

Godspeed Bd. 1 - Die Reise beginnt

Titel: Godspeed Bd. 1 - Die Reise beginnt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Beth Revis
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Das Innere des Schiffs ist überwiegend rund. Eine kleine Scheibe ganz oben ist das Regentendeck. Darunter liegt das etwas größere Deck für Forschung und Technik, das in Büroräume und Labors aufgeteilt ist. Aber den größten Teil nimmt das Versorgerdeck ein. Auf dem Regentendeck sind nur zwei blinkende Punkte – der Älteste und ich – und rund fünfzig auf dem Technikdeck. Der Älteste tippt auf das Versorgerdeck, das größte Deck des Schiffs. Auf der rechten Seite des Kreises befinden sich einige Dutzend Pünktchen für die Leute im Krankenhaus, aber kein einziges im Archiv. In der Mitte verteilen sich Dutzende von Punkten, die für die Bewohner der verschiedenen Farmen stehen. Dann tippt der Älteste auf die linke Seite des Schirms, wo die Stadt erbaut ist. Hier wimmeln so viele Pünktchen herum, dass ich sie unmöglich zählen könnte. Aber das muss ich auch nicht. Ich kenne jeden an Bord, alle 2312 Personen.
    Jedes dieser 2312 blinkenden roten Pünktchen fühlt sich an wie eine pochende Last auf meinen Schultern, die immer schwerer wird. Denn ich bin verantwortlich für jeden Einzelnen von diesen Menschen.
    Der Älteste holt wieder das Technikdeck auf den Schirm und lässt den Finger auf dem Maschinenraum liegen. »Zwischen der Maschine, den Computern, dem Navigationssystem und allem anderen kann vieles schieflaufen. Diese Reise … ist lang.« Er sagt das, als hätte er alle 250 Jahre miterlebt. »Die Erbauer des Schiffs wussten das; deswegen haben sie ihm den Namen Godspeed gegeben.«
    Ich murmele den Namen vor mich hin; er schmeckt auf meiner Zunge wie Metall.
    »Es ist ein alter Sol-Erde-Ausdruck für glückliche Reise.« Der Älteste schnaubt. »Die haben unsere Vorfahren ins All geschossen, ihnen glückliche Reise gewünscht und sie dann vergessen. Sie können uns nicht helfen. Wir haben während der Seuche den Kontakt zur Sol-Erde verloren, und es ist uns nicht gelungen, die Verbindung wiederherzustellen. Wir können nicht zurück. Alles, was uns die Menschen auf der Sol-Erde geben konnten, war Godspeed.«
    Ich weiß nicht, ob er damit das Raumschiff meint oder dass uns die Leute eine glückliche Reise gewünscht haben, im Moment scheint mir jedoch beides ein bisschen wenig zu sein.
    »Aber wir brauchen mehr als nur Glück. Das Schiff braucht jemanden, der seine Besatzung beschützt. Und du wirst ihr Anführer werden.« Der Älteste holt tief Luft. »Deswegen wird es Zeit, dass du lernst, was die drei Ursachen für Unfrieden sind.«
    Ich rücke meinen Stuhl dichter heran. Das ist neu. Endlich – endlich  – fängt der Älteste an, mich das zu lehren, was ich wissen muss, um das Schiff zu führen.
    »Sprechen wir auf der Godspeed alle dieselbe Sprache?«, fragt er.
    »Natürlich«, antworte ich verwirrt.
    »Gibt es Rassenunterschiede?«
    »Rassenunterschiede?«
    »Verschiedene Hautfarben.«
    »Nein.« An Bord haben alle dieselbe dunkle Haut, dasselbe dunkelbraune Haar und braune Augen.
    »Du hast die Mythen der Sol-Erde studiert: Buddhismus, Christentum, Hinduismus, Islam. Ist auf der Godspeed jemand ›gläubig‹?« Das letzte Wort spricht er besonders verachtend aus.
    »Natürlich nicht!« Ich lache. Eine der ersten Unterrichtsstunden, die der Älteste mir gegeben hat, als ich zu ihm aufs Regentendeck gezogen bin, hatte die Religionen der Sol-Erde zum Thema. Es waren faszinierende Geschichten und Märchen, und ich weiß noch, wie ich gelacht habe, als der Älteste mir erzählt hat, dass die Menschen auf der Sol-Erde bereit waren, für diese Fantasiegestalten zu kämpfen und zu sterben.
    Der Älteste nickt. »Die erste Ursache für Unfrieden ist Verschiedenartigkeit. Es gibt keine Religion auf der Godspeed. Wir sprechen alle dieselbe Sprache. Wir gehören derselben Rasse an. Und weil wir uns nicht unterscheiden, haben wir keinen Grund, einander zu bekämpfen. Erinnerst du dich an die Kreuzzüge, von denen ich dir erzählt habe? Die Völkermorde? Solche grauenhaften Ereignisse brauchen wir auf der Godspeed nie zu befürchten.«
    Ich hocke schon auf der vorderen Kante meines Stuhls und nicke fasziniert. Natürlich erinnere ich mich an diese Lektionen. Ich habe sie bekommen, als ich dreizehn und gerade erst beim Ältesten eingezogen war. Was war ich da noch für ein Kind gewesen! Ich erinnere mich an Floppy-Bilder von Leuten mit unterschiedlicher Haut- und Haarfarbe, mit langen Gewändern oder Lendenschurzen, und an den Klang von Sprachen, die ich nicht verstehen konnte. Und damals hatte

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