Goebel, Joey
Nachmittag jemand angerufen hat und dich sprechen wollte.«
»Wieso erfahr ich das jetzt erst?«
»Och, du weißt doch, wie die dahinten drauf sind.«
»Wer wollte mich sprechen?«
»Das hab ich auch gefragt. Wer ruft schon den Penner an?«
»Nun mach mal halblang. Wer war’s denn?«
[30] »Sie sagte, irgendeine Frau. Ihren Namen hat sie nicht verraten.«
Blue Genes graue Lider hoben sich. »Danke für die Info.«
»Keine Ursache. Bis später.«
Dank Bobs Nachricht gab es in Blue Genes Tag plötzlich einen Hoffnungsschimmer am Horizont. Er dachte nur noch daran, dass möglicherweise eine Frau versuchte, ihn zu finden. Vielleicht war es eine seiner Kundinnen. Es gab eine gefärbte Blondine mit der Figur einer Stripperin, die mehrmals mit ihrem Kind an seinen Stand gekommen war und sich offenbar wirklich gern über Spielsachen unterhielt. Oder vielleicht war sie ja eine der jungen Frauen, mit denen er früher gejoggt hatte, als ihm noch nach Laufen zumute gewesen war. Einige von ihnen hatte er damals attraktiv gefunden, zum Beispiel diese eine Tänzerin, die sich Missus Sizzle nannte. Das Hin und Her in der Beziehung zu seiner ersten und letzten Liebe, Cheyenne Staggs, verhinderte, dass er eine der Frauen näher kennengelernt hatte. Als er und Cheyenne sich zum dritten Mal trennten – das einzige Mal, dass ihre Trennung wirklich Bestand hatte –, hinderte ihn nur seine Antriebslosigkeit daran, sich um eine neue Freundin zu bemühen.
Doch hier gab es eine Frau, die die Initiative ergriffen hatte, die sich anscheinend für ihn interessierte. Er brauchte sich nur noch mit ihr zu verabreden.
Auf einmal fiel Blue Gene ein, dass gleich am nächsten Tag die perfekte Veranstaltung für ein erstes Date stattfand: die Thunder-Nationals-Monstertruck-Show im Bashford Civic Center. Im Fernsehen war ein Werbespot dafür gelaufen. Jahrelang war er nicht mehr da gewesen, seit damals, als [31] Cheyenne und er sich das gemeinsam angesehen hatten. Jemand, der ihn suchte, würde bestimmt auch gern mit ihm dorthin gehen.
Gegen Viertel vor zwölf schwitzte Elizabeth unter ihrer Schminke, während sie drei prallvolle Tüten mit Einkäufen durch das stickige Gebäude schleppte. Zu ihren Erwerbungen gehörten ein Dutzend Kaffeebecher mit der Aufschrift: JESUS GEFÄLLIG ? und ein paar bunte Jungfrau-Maria-Wandteppiche, die sie ein paar netten Latinos abgekauft hatte. Shoppen war Elizabeths einziges Laster, doch die meisten ihrer Erwerbungen waren für ihre Kirche bestimmt. Für sich selbst hatte sie nur eine Statuette von Sankt Kolumban gekauft, dem Schutzheiligen der Motorradfahrer, wie sie bei ihren zwanghaften Nachforschungen über Heilige herausgefunden hatte.
Unterwegs grüßte sie jeden einzelnen Verkäufer, die alle lächelten und den Gruß erwiderten. Bisher waren alle so nett und anscheinend dankbar gewesen, dass sie etwas kaufte, und die Frauen machten ihr artig Komplimente über ihr Outfit. Nur einmal hatte sie sich fehl am Platz gefühlt: Ein Mann hatte sie so seltsam angesehen, als sie mit ihrer Visa-Karte bezahlen wollte. Doch dann hatte er einen Scheck genommen.
Elizabeth fand nicht nur die unverhohlene Frömmigkeit der einfachen Leute bezaubernd, sondern auch ihren ansteckenden Patriotismus. Wohin sie auch sah, überall entdeckte sie Rot, Weiß, Blau und Tarnfarben. Sie sah Bürger, die auf ihre Überzeugungen stolz waren, und was diesen Leuten an Grammatik, körperlicher Fitness und Zahnpflege abging, machten sie mit inneren Werten wett. Sie gehörten [32] zweifellos zum sprichwörtlichen Salz der Erde, und Elizabeth ging davon aus, dass sie eines Tages viel Zeit mit ihnen verbringen würde.
Elizabeth sah immer noch mehr, was sie kaufen wollte, machte sich aber klar, dass sie mit einem Auftrag hierhergeschickt worden war, und beschloss, nichts mehr zu erstehen. Sie steckte hinter einem buckligen Alten in einem Blaumann fest, an dem sie nicht vorbeikam, weil ein Trio lahmer Jugendlicher ihr den Weg versperrten. Als der alte Mann langsam um die Ecke bog und den nächsten Gang betrat, sah Elizabeth endlich den hinteren Teil der Halle. In der entlegensten Ecke entdeckte sie den Grund ihres Besuchs; er strich sich über den Schnauzbart und aß gerade einen Hamburger. Die gute Laune, in die die Flohmarkthändler sie versetzt hatten, löste sich umgehend in Luft auf. Er sah verwahrlost, ungepflegt und schmutzig aus und schien unter Drogen zu stehen – kurz: schlimmer als je zuvor. Es war erstaunlich, wie viel
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