Goebel, Joey
Ausschau, weil er wissen wollte, ob jemand den Stand bewachte, während ihr Sohn schlief, doch sie war nicht in der Nähe.
»Ey, Chris«, sagte er zu dem Waffenhändler links von ihm, worauf dieser das Schwert hinlegte, mit dem er gerade herumhantiert hatte, und zu Blue Gene herüberkam. Neben seiner riesigen Sammlung Samuraischwerter verkaufte der Mann Messer, Armbrüste, Blasrohre und »Militaria«.
»Guck dir den mal an«, sagte Blue Gene. Der Blumenmann hatte die Augen geschlossen, und sein Mund stand offen. »So was nennt man eine schlechte Geschäftsidee.« Chris lachte. »Wir sollten ihm was rüberwerfen.«
»Mach ich, wenn du ’n Cent für mich hast«, sagte Chris.
Blue Gene stellte sich vor, wie er den Blumenmann mit aller Macht auf den Solarplexus boxte – eine seiner Lieblingsphantasien –, als ihm wieder einfiel, dass eine Frau sich nach ihm erkundigt hatte. Daraufhin glitt er in einen Tagtraum hinüber, in dem er sich in einem Gartenpavillon der Liebe hingab.
Der Tagtraum platzte, als Elizabeth in sein Blickfeld trat. Zuerst erkannte er sie nicht, weil er es nicht für möglich [36] hielt, dass sie an diesem Ort auftauchte. Er konnte nicht glauben, dass sie von der Existenz des Flohmarkts wusste, geschweige denn hierherkam und ihn aufspürte.
»Hallo, Gene«, sagte Elizabeth ruhig.
»Hey, Mom.«
»Komm, lass dich umarmen.«
Blue Gene legte seinen Cheeseburger beiseite und stand auf, doch sein Verkaufstisch trennte ihn von Elizabeth. Sie beugte sich über den Tisch und schlang die Arme um ihn. Er erwiderte die Umarmung nur matt.
»Deine Haut riecht nach Rauch. Wie ist es dir denn ergangen?«
»Kann nicht klagen. Und dir?«
»Gut, danke. Du hast uns gefehlt.«
»Hm.« Blue Gene verschränkte die Arme. »Wie geht’s den andern?«
»Gut. Arthur würdest du nicht wiedererkennen, so groß ist er geworden. Warte mal –« Sie griff über den Tisch an sein Gesicht. »Du hast ganz trockene Haut, die schuppt sich ja.« Blue Gene trat einen Schritt zurück.
»Das ist Absicht.«
»Ach, Gene«, sagte sie mit einem milden Lächeln.
»Was machst du auf dem Flohmarkt?«
»Ich wollte dich sehen. Es ist schon viel zu lange her. Wusstest du, dass ich bisher noch nie auf so was war? Ich bin froh, hier zu sein. Sieh mal, was ich alles gefunden habe.« Sie kramte in ihren Tüten und zog den religiösen Krimskrams heraus. Blue Gene reagierte kaum. Er war zu sehr mit der Überlegung beschäftigt, was er davon halten sollte, dass sie einfach so hereinplatzte, und, was noch wichtiger war, ob sie [37] ihn daran hindern würde, die unbekannte Frau zu treffen, die für ihn angerufen hatte. »Na, eigentlich bin ich hier, weil wir gern wüssten, ob du nicht heute zum Abendessen vorbeikommen möchtest.«
»Weshalb?«
»Weil ich, Gene, in letzter Zeit viel darüber nachgedacht habe, warum wir uns so… wie sage ich das am besten? Uns so auseinandergelebt haben. Was nicht sehr christlich von uns ist. So können wir nicht weitermachen. Es geschehen zurzeit so viele schreckliche Dinge, als hätte der Herr uns endgültig verlassen, und wir wollen uns nicht von dieser unguten Atmosphäre anstecken lassen. Willst du das? Die Gefahr ist groß. Also, erst heute Morgen habe ich eine ganz grässliche Geschichte in der Zeitung gelesen. Hast du von der Mutter gelesen, die – ich mag das nicht mal aussprechen –, es gibt da eine Mutter, die ihrem eigenen Kind die Arme abgeschnitten hat. «
»Ich habe keine Zeitung abonniert.«
»Das solltest du aber. Warum nicht?«
»Ich mag nicht drin lesen.«
»Das solltest du aber. Gehst du denn in die Kirche?«
»Das letzte Mal war ich dort wohl bei einer Beerdigung. Vor über einem Jahr.«
»Betest du denn noch?«
»Ja. Wenn ich daran denke. Ich bete jedes Mal, wenn ich Krankenwagen- oder Feuerwehrsirenen höre.«
»Das ist doch eine nette Geste.« Elizabeth lächelte entschuldigend. »Ich habe übrigens Blumen geschickt. Hast du sie gesehen?«
»Wovon redest du eigentlich?«
[38] »Zu der Beerdigung, die du vermutlich gemeint hast. Ich habe Blumen geschickt. Hast du sie gesehen?«
»Ja.«
»Waren sie hübsch?«
»Weiß ich nicht mehr. Bestimmt waren sie’s.«
»Das war schrecklich. Was da geschehen ist, tut mir leid.«
»Danke dir.« Blue Gene fand diesen Ernst unerträglich. Ein heißer Ring schnürte sich fester um seinen Kopf. »Ist da was dran, dass John für ein politisches Amt kandidiert?«, fragte er und rückte seine Basecap zurecht.
»Oh. Du hast davon
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