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Goethe war’s nicht

Goethe war’s nicht

Titel: Goethe war’s nicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Demant
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sollten net so viel Ebbelwei trinken.“
    „Wieso? Ist doch gesund. Mit’em Furzen hab ich jedenfalls keine Probleme.“
    Das stimmt, dachte Herr Schweitzer. Er zumindest kannte keinen einzigen Apfelwein trinkenden Hessen, der an Verdauungsstörungen litt; so ziemlich alle anderen auf dem Markt erhältlichen Abführmittel konnte man hingegen getrost vergessen. Lediglich das einst aus Äthiopien stammende Rizinusöl besaß eine ähnlich durchschlagende Wirkungskraft.
    Opa Becker wurde ins Innere des Krankenwagens gehievt. Bevor sich die Tür schloss, winkte er den beiden mit strahlenden Augen zum Abschied zu.
    Herr Schweitzer: „So, jetzt hab ich endlich auch mal Opa Becker kennen gelernt. Lass uns reingehen, sonst frier ich mir hier noch den Arsch ab.“
    Als sie wieder an ihrem Tisch saßen, fragte Maria: „Was ich nicht verstehe: Wieso hat der Herr Becker vorhin minutenlang seine paar Münzen so innig angestarrt?“
    „Das war sein Geld für die Straßenbahn. Soweit ich weiß, ist Freitag immer sein Ausgehtag. Da trinkt er dann so lange seinen Ebbelwei, bis nur noch das Fahrgeld übrig ist.“
    Maria: „Heute aber nicht.“
    „Nein, heute nicht. Die Beate, das ist die Bedienung mit dem langen Zopf, hat mir neulich erzählt, dass sich Opa Becker manchmal mit dem Ebbelwei nicht zurückhalten kann. Da kommt dann sein Trick mit dem Rettungswagen zum Einsatz. Seine Rente scheint nicht so üppig zu sein. Die zwei Euro vierzig für einen Fahrschein sind wohl ein Problem.“
    „Und die Jungs vom Rettungsdienst spielen da mit?“
    „Na ja, so lange Opa Becker der Einzige mit diesem Trick ist, betrachten sie es wohl als willkommene Abwechslung. Ganz schön raffiniert, der alte Herr, gelle?!“

Die Einladung
    Herr Schweitzer hatte zu Hause übernachtet. Nun stand er in seinen besten Klamotten trantütig vor dem Spiegel und richtete die Frisur. Seine ganze Körpersprache drückte äußerste Missbilligung demgegenüber aus, was der Spiegel reflektierte. Als sei so ein November-Alltag nicht schon trostlos genug, musste er sich auch noch auf Marias Geheiß hin in feinsten Zwirn zwängen. Es war ganz und gar nicht sein Stil. Am liebsten mochte er es flippig. Kein Kleidungsteil musste mit einem anderen farblich harmonieren, Hauptsache, es war bequem. Auf die Meinung anderer pfiff er. Und Leute, die sich allmorgendlich der Etikette wegen in steife Anzüge oder mausgraue Kostüme schmissen, beziehungsweise schmeißen mussten, weil es die Kleiderordnung am Arbeitsplatz so vorsah, bedauerte er aufs Tiefste. Sklaven im Alten Rom waren für ihn ähnlich arm dran gewesen.
    Und draußen war es grau, grauer, am grausten. Obendrein war für die kommenden Tage auch noch Schneegefahr angekündigt. Das hieß nichts anderes, als dass Weihnachten wohl wieder nicht so weiß wie in seiner Kindheit werden würde – Schnee Mitte November war ein untrügliches Zeichen dafür.
    Es klingelte. Das Taxi war pünktlich. Immerhin.
    Herr Schweitzer ignorierte seinen unwiderstehlichen Drang, dem Fahrer Málaga oder Lissabon als Ziel zu nennen. „Bitte zum Lerchesbergring. Dort holen wir jemanden ab und dann geht’s weiter.“
    „Alles klar.“
    Trübsinnig schaute Herr Schweitzer während der Fahrt aus dem Fenster. Und er betete, die nächsten Stunden mögen doch bitte, bitte ganz fix verstreichen. Doch insgeheim wusste er, dem würde nicht so sein. Er befürchtete, das Mittagessen würde in einen ach so gemütlichen Nachmittagskaffee bei diesem unsäglichen Gastgeber ausufern. Persönlich kannte er Herrn Fornet zwar noch nicht, doch was konnte man schon von einem Typen erwarten, der darauf bestand, den weltberühmten Sachsenhäuser Detektiv doch endlich mal aus der Nähe kennen lernen zu wollen. Laut Maria sollen das seine Worte gewesen sein. Weltberühmt – nun ja, dachte Herr Schweitzer, wenn Sachsenhausen die Welt ist. Die meisten Sachsenhäuser sahen dies natürlich so, doch genau genommen war dieser Flecken Erde doch bloß ein klitzekleiner Punkt zwischen Nordsee und Alpen.
    Oben im Anton-Burger-Weg entstiegen sie dem Taxi. Sofort wurde Herr Schweitzer von einer heftigen Windböe erwischt und die Fahrzeugtür schlug ohne großes Zutun seinerseits fast von selbst zu. Ein Briefträger kämpfte auf der anderen Straßenseite mit den Elementen.
    Die zweistöckige Doppelhaushälfte machte einen stinknormalen Eindruck. Die Fassade war durchgehend in einem hellen Grau gehalten, der Garten gepflegt, und die Tonnen für die unterschiedlichen

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