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Goethe war’s nicht

Goethe war’s nicht

Titel: Goethe war’s nicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Demant
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Abfallsorten standen in Reih und Glied gleich hinter dem Gartentor. Der Jägerzaun war gut in Schuss und wies keine witterungsbedingten Schäden auf.
    Bevor Maria klingelte, drehte sie sich noch einmal zu ihrem Liebsten um: „Und bitte, Simon, reiß dich zusammen. Ist ja nur für kurz.“
    Herr Schweitzer hielt diese Bemerkung für absolut überflüssig, schließlich hatte er die letzten Tage an nichts anderes mehr gedacht. Um nicht durchzudrehen, flüchtete er sich in Sarkasmus: „Wie? Du meinst, ich soll nicht wie zu Hause an die Vorhänge pinkeln? Wohin denn sonst?“
    „Simon!“
    „Aber Maria! Ich dich doch auch.“
    Seine Liebste verdrehte die Augen nach oben und drückte endlich auf den Klingelknopf.
    Fast zeitgleich wurde die Tür aufgerissen. „Ah, da seid Ihr ja.“ Herr Fornet schaute auf seine Armbanduhr. „Pünktlich wie die Maurer, ha, ha.“
    O Gott, dachte Herr Schweitzer, das kann ja heiter werden. Der Typ hatte eine Stimme Typ singende Säge. Außerdem trug er ein Toupet, das als solches schon aus weiter Entfernung zu erkennen war. Von daher lag er mit seinem ‚Herr Toupet‘ gar nicht mal so falsch. Er fragte sich, ob er in Sachen Parapsychologie vielleicht bewanderter war, als er bisher vermutet hatte, und nahm sich vor, seine diesbezüglichen Fähigkeiten in Zukunft eingehender zu beobachten. Was aber so gar nicht zu seinem Bild passte, dass er sich von dem Mann im Vorfeld gemacht hatte, war dessen Größe. Er schätzte ihn auf gut und gerne eins fünfundneunzig.
    Man reichte sich die Hände. „Angenehm, Simon Schweitzer.“ Eigentlich hasste er Lügen. Angenehm wäre es zum Beispiel gewesen, jetzt in einem flauschigen Bett zu liegen, einen Joint zu rauchen und sich an einem Film von Aki Kaurismäki zu ergötzen. Als Sahnehäubchen vielleicht noch eine edle Tafel Nougatschokolade. Doch dieses Theater hier war ihm höchst zuwider, also das genaue Gegenteil seiner Worte.
    „Wenn ich bitten darf.“ Nonchalant trat der Gastgeber einen Schritt zurück. „Die Jacken bitte hierhin und die Schuhe dort. Schlappen für die Gäste gibt’s auch. Hier. Ihr wisst ja, Parkettboden ist empfindlich. Man sieht sofort jeden Kratzer.“
    Maria: „Ja, das kenne ich. Mach ich bei mir in der Wohnung genauso.“
    Auch das eine Lüge, wusste Herr Schweitzer. Aber das gehörte wohl zum Spiel. Er nahm sich vor, die Regeln strikt einzuhalten. Nicht dass seine drei offenen Wünsche bei Maria flöten gingen. Er schlupfte in die größten Schlappen, von denen er annahm, dass sie passten. Sie passten.
    Dann wurden sie nach hinten ins Wohnzimmer geleitet. „Bis das Essen fertig ist. Ich habe Fabiana angewiesen, um Viertel nach zu servieren.“
    Oh, sinnierte Herr Schweitzer, eine Haushälterin haben sie auch. Nobel geht die Welt zugrunde.
    „Einen Aperitif, die Herrschaften? Kir Royal, Campari Soda, Martini – ist alles da.“
    „Für mich einen Martini, bitte“, flötete Maria.
    Herr Schweitzer wollte keine Umstände machen: „Für mich auch. Danke.“
    Zu seiner Überraschung wurde der Aperitif in einem stilgerechten konischen Martinikelch gereicht. Der Sachsenhäuser Gelegenheitsdetektiv verbuchte Toupet-Fornet einen Pluspunkt auf der Habenseite.
    Nachdem auf die Gesundheit angestoßen worden war, sprach Fornet die Worte: „Detektive habe ich mir ganz anders vorgestellt. Sie sehen, verzeihen Sie mir, irgendwie ... harmlos aus.“
    Der gerade eben verteilte Pluspunkt wurde wieder einkassiert. Griesgrämig guckend, knallte ihm Herr Schweitzer derweil drei zusätzliche Minuspunkte aufs Konto. Doch pflichtschuldigst – man bedenke die drei freien Wünsche bei Maria – erwiderte er: „Na ja, kann nicht jeder rumlaufen wie die Klitschkos. Ich arbeite mehr mit Hirn.“
    Hierfür erntete er zwar von Maria einen tadelnden Seitenblick, aber Toupet-Fornet fuhr unbeirrt fort: „Klar. Ist in Ihrem Beruf wahrscheinlich adäquater. Ich selbst halte ja auch nicht viel von all den Krimis, die täglich im Fernsehen laufen. Die sind irgendwie so ...“
    Maria half aus: „... unrealistisch?“
    „Ja, genau: unrealistisch. Wenn man alleine den skandinavischen Krimischreiberlingen Glauben schenken müsste, wäre Nordeuropa inzwischen menschenleer, so wie dort die literarischen Serienkiller wüten.“
    Mühselig wurde das Gespräch noch drei Minuten in Gang gehalten, bevor es aus der Küche tönte: „Kuno, in einer Minute wird das Essen serviert.“
    Aha, dachte Herr Schweitzer, so heißt das Toupet also mit Vornamen.

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