Goethesturm: Hendrik Wilmuts dritter Fall (German Edition)
gesetzt, er hatte verlangt, dass Joachim seine Rechtsanwaltskanzlei
übernahm. Als Joachim das Studium hingeworfen hatte, sei der Vater nahezu daran
zerbrochen, so der Rechtsanwalt, wurde krank und starb ein Jahr später. Von
Frau Napshäuser erfuhren sie, dass Joachim daraufhin starke Schuldgefühle
plagten und er mit seiner Mutter immer wieder in Streit geriet. Soweit die
Informationen zur Familie Waldmann. Doch das brachte keinen Fortschritt in
Bezug auf Jolanta Pajak. Benno schlug vor, mit dem Dekan des Fachbereichs Jura
an der Johann Wolfgang Goethe Universität zu sprechen. Mithilfe von Herrn Bräunlich
erhielt er am Nachmittag einen Termin. Mittlerweile erfuhren Richards Kollegen,
dass Frau Schlierbach alias Waldmann viele Jahre in einem zytologischen Labor
der Uniklinik Frankfurt gearbeitet hatte, und sie fanden eine Kollegin, die
zugab, ihr eine Probe H17N32 überlassen zu haben. Das war allerdings nicht mehr
wirklich relevant, da Frau Kirschnig bereits auf dem Weg der Besserung war und
Frau Schlierbach nicht mehr lebte.
Der
Dekan gab meinen drei Freunden einen wichtigen Hinweis. Er berichtete von einem
älteren, bereits emeritierten Professor, der zusammen mit Herbert Waldmann
studiert hatte, damals noch im alten Campus im Stadtteil Bockenheim. Richard
fragte, was denn mit den alten Gebäuden in Bockenheim passiert sei. Der Dekan
berichtete, einige seien weitervermietet worden, andere stünden leer. Der
Professor wurde herbeigerufen und fügte das entscheidende Puzzleteil hinzu: Er
habe sich viele Jahre als wissenschaftlicher Mitarbeiter ein kleines Kellerbüro
mit Herbert Waldmann geteilt, so berichtete er, das sei sehr eng, aber recht
gemütlich gewesen. Richard fragte, in welchem Gebäude dies sei, ob es leer
stehe und ob Joachim bereits einmal dort war. Der Professor sagte, es sei
Gebäude 12B und bejahte die beiden anderen Fragen. Joachim habe dort oft nach
der Schule seine Hausaufgaben gemacht in dem engen Raum, einfach so, das Heft
auf den Knien … natürlich könne er den Raum jederzeit wiederfinden, falls das
wichtig sei.
Richard
raste mit Blaulicht und Sirene durch Frankfurt, dem Professor wurde es fast
schlecht während der Fahrt. Endlich hatten sie einen Hinweis auf Jolanta Pajak!
Ich konnte mir vorstellen, wie sie inständig hofften, die entführte Jolanta
Pajak lebend zu finden.
Der
Professor fand den Raum sofort, aber er hatte keinen Schlüssel und ein
Hausmeister war nicht aufzutreiben. Es war eine schwere Stahltür, sie musste
aufgeschweißt werden. Richard rief die Feuerwehr.
Jolanta
Pajak war noch am Leben. Mehr oder weniger. Sie sah erbärmlich aus, abgemagert,
ausgetrocknet, bleich, so als hätte sie seit Tagen keine Nahrung mehr zu sich
genommen. Sie wurde sofort in die Uniklinik gebracht. Und dies war die
schlechteste Nachricht, die Richard, Siggi und Benno mir überbrachten: Bis zum
heutigen Dienstagmorgen war unklar, ob Jolanta Pajak überleben würde.
34. Autobahn A 5 bei Kilometer 396
Am Donnerstag sollte Sophie
beerdigt werden. Benno und ich fuhren am Mittwochvormittag mit dem Passat
zurück nach Weimar. Ich rief noch schnell Hubertus von Wengler an, um ihm
mitzuteilen, dass seine Ersatz-Marie erschossen worden war. Frau Kirschnig war
zwar auf dem Weg der Besserung, aber erst in zwei Monaten wieder einsatzbereit,
sodass ich ihm versprach, mit Benno über einen Sonderetat für eine neue
Gastschauspielerin zu reden. Der Generalintendant wollte unbedingt seinen
›Clavigo‹ retten. Seine eigene Vorstellung vom ›Clavigo‹. Zur Not, falls Benno
wirklich nicht mehr auf seinen Posten als Kulturstadtrat zurückkehren würde,
hatte ich ja noch den Sonderzugang zum Oberbürgermeister: ›Peter ist kein
Schwerenöter.‹
Bis
Gießen unterhielt ich mich mit Benno über Belangloses, Allgemeines und
Offensichtliches. Dann, ab Reiskirchen, kamen wir zu den wichtigen Punkten.
»Darf
ich dich etwas fragen, Benno?«
»Klar.«
»Was
hattest du mit diesem Klaus Felder zu tun?«
»Meine
Güte, woher weißt du das denn?«
»Entschuldige,
von Siggi, reiner Zufall, er hat Felder beschatten lassen.«
»Aha.«
Er schüttelte den Kopf. »Felder war von höchster Stelle beauftragt worden, mit
mir über die Zusammenlegung der beiden Theater in Erfurt und Weimar zu
verhandeln. Wie du weißt, ist das Thema ein Dauerbrenner. Er bestand auf
geheime Verhandlungen, ohne Öffentlichkeit und ohne andere Mitwisser. Er hat
wohl gedacht, mich überzeugen zu können, und ich habe angenommen, das
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