Goethesturm: Hendrik Wilmuts dritter Fall (German Edition)
Thema ein
für alle Mal aus der Welt schaffen zu können. Als wir gemerkt haben, dass es
keinen Kompromiss gibt, wollte ich die Verhandlungen abbrechen. Daraufhin hat
er mir Geld angeboten. Viel Geld. Das habe ich natürlich abgelehnt. Dann hat er
versucht, mich auf mentaler Ebene zu erwischen, hat behauptet, Liebrich sollte
vom Kultusminister als Generalintendant für das Nationaltheater Weimar lanciert
werden, um mit ihm, also mit Felder, die Zusammenlegung zu bewerkstelligen. Das
war natürlich totaler Quatsch, er wollte mit dieser Behauptung nur mich
treffen. Ich habe ihn einfach stehengelassen und seitdem nie wiedergesehen.«
»Du
hast ja eine hohe Meinung von Liebrich.«
»Ja,
das habe ich. Er ist sehr klug und hat eine ungewöhnliche Sicht auf die Dinge.
Eine Art … Bühnensicht. Man könnte meinen, diese Betrachtungsweise sei
unrealistisch, aber das stimmt nicht. Aus den Theaterstücken kommt viel
Lebensweisheit.« Er sah zu mir herüber. »Bist du immer noch der Meinung, dass
er mich manipuliert?«
»Na ja,
jetzt ist die Situation anders, ich weiß nicht …«
Benno
grinste. »Was soll das Herumeiern? Sonst findest du doch auch klare Worte.«
»Ja,
stimmt. Bisher hat es so auf mich gewirkt, als hätte er dich manipuliert.«
»Gut
ausgedrückt.«
Ich
zuckte mit den Schultern, setzte den Blinker und überholte einen großen
Sattelschlepper.
»Und?«,
fragte er, »meinst du er hat etwas mit dem Tod von Sophie zu tun?«
»Nicht
direkt. Möglicherweise hat er Dana Hartmannsberger dazu angestiftet. Es ist
aber auch möglich, dass sie selbst diese Entscheidung getroffen hat über Liebrichs
Absichten hinaus. Waldmann hat er angeblich nur dazu bewegt, uns
einzuschüchtern. Und ich bin fast geneigt, ihm das zu glauben …«
»Du
glaubst Liebrich etwas?«
Ich
warf ihm einen kurzen Blick zu. »Ja.«
»Und
Waldmann?«
»Liebrich
hatte Waldmann ganz stark in sein Machtgefüge eingebunden.«
»Den
auch?«
»Ja,
ihn als Erstes. Bei Joachim Waldmann war es allerdings leichter als bei dir. Du
warst eine echte Herausforderung.«
Benno
schüttelte unwillig den Kopf. »Und das alles nur, weil er beweisen wollte, der
bessere Regisseur zu sein?«
»Ja, so
ist es. Aber dahinter steckt noch mehr. Er ist ein Machtmensch, es gehört zu
seinem Charakter, andere zu beeinflussen. Ich kenne eine junge Frau, der das
Gleiche passiert ist. Eine ehemalige Praktikantin am Schauspiel Frankfurt.« Ich
hatte Gegenwehr von ihm erwartet. Doch die blieb aus.
»Wer
ist diese junge Frau?«
»Tut
mir leid, aber sie hat mich gebeten, ihren Namen nicht weiterzugeben.«
Er
nickte. »Wenn das so wäre, dann hätte Reinhardt Liebrich ja eine große Schuld
auf sich geladen. Drei Tote.«
Ich
musste bremsen, weil sich vor uns ein leichter Stau gebildet hatte. »Das könnte
man so sehen.«
»Bisher
hat ihn aber niemand verdächtigt oder sogar angeklagt.«
»Das
stimmt. Das wird wohl auch nie passieren. Wer will schon eine manipulative
Schuld nachweisen? Wahrscheinlich gibt es dafür auch keinen Paragrafen im
Strafgesetzbuch.«
»Hendrik,
bitte, ich versuche dich zu verstehen, aber da liegst du falsch. Erst recht mit
deiner Clavigo-Theorie.«
»Kennst
du dich aus mit dem ›Clavigo‹?«
»Inzwischen
schon, ich habe ihn gestern gelesen.«
Ich
nickte anerkennend. »Und?«
»Interessant,
sicher. Man könnte auch gewisse Parallelen ziehen, aber am Ende sehe ich keine
Logik zwischen dir und mir.«
Ich
reduzierte die Geschwindigkeit, um eine Baustelle zu passieren. Wir befanden
uns in der Nähe von Alsfeld.
»Was
meinst du damit?«
Rechts
neben uns fuhr ein großer Lkw mit einem Anhänger. Links befand sich eine
niedrige Betonmauer.
»Na ja,
wenn ich der Clavigo sein soll und du der Beaumarchais, dann müsstest du mich
ja am Ende töten!« Er lachte laut auf.
Im
selben Moment machte der Lkw-Anhänger einen Schlenker nach links. Ich konnte
nicht mehr ausweichen, bremste, was die Situation aber nur noch verschärfte,
weil der Passat ins Schleudern geriet. Ehe ich etwas tun konnte, bekamen wir
einen Schlag gegen den Kotflügel. In Panik versuchte ich, gegenzusteuern, aber
die Lenkung regierte nicht mehr. Wir waren zwischen dem Lkw und der Betonwand
eingeklemmt. Auch der Lkw war nun ins Schleudern gekommen. Benno schrie auf,
ich versuchte erneut zu bremsen, doch schon hoben wir ab, ich sah nur noch den
Himmel über uns, dann ein lautes Krachen, einen Schlag ins Genick, Panik
durchflutete mich, ich riss die Arme vors Gesicht, Funken
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