Götterdämmerung in El Paso (German Edition)
wie Gold«, sagte ich. »Sie betrügt dich auf keinen Fall, Luther.«
»Du weißt nicht, wovon du sprichst. Du hast überhaupt keine Ahnung.«
Einleuchtend war es schon. Angesichts seiner momentanen Verfassung konnte ich mir nicht vorstellen, dass es eine Frau länger als ein Jahr mit ihm aushielte. Carla, die noch dazu zehn Jahre jünger war als Luther, hatte fast acht Jahre durchgehalten. Hätte sie jetzt eine Affäre, wäre das längst überfällig.
»Worüber willst du dann reden?«, fragte ich. »Offensichtlich hast du dich bereits entschieden.«
»Das ist nicht so einfach. Eine Scheidung ist für mich keine Kleinigkeit. Wie du weißt, wurde ich katholisch erzogen. Bevor ich aktiv werde, gibt es noch eine Menge zu bedenken. Das kannst du doch verstehen, oder?«
»Ich glaube schon.«
»Du glaubst schon?! Mach aus meinen Problemen keine Bagatelle, J.P. Ich habe den Kopf voll. Ich würde es begrüßen, wenn du das verstehst — sofern das überhaupt möglich ist.«
Luther nahm sich selbst sehr ernst. Er betrachtete das als legitim, seit er endlich einen Roman veröffentlicht hatte und somit ein seriöser Autor war. Das Foto auf der Rückseite des Einbandes zeigte einen zutiefst nachdenklichen Luther. Das Kinn in die Hand gestützt, die umwölkte Stirn distinguiert in Falten gelegt und die Augen auf etwas hinter der Kamera gerichtet: Hier war ein Mann mit einer gefährlichen Vision, die tauglich war, das Wertesystem zu untergraben, wonach die Menschen lebten. Wenn man ihn nicht kannte, hätte man meinen können, den jungen Kerouac zu sehen, der mit Hemingway-Stahl gehärtet worden war. Und diese Pose nahm er jetzt ein, als er meinen Charakter analysierte.
Sein Roman, eine sechshundert Seiten starke Familiensaga mit dem Titel Ich bin Pedro Morales , umfasste das gesamte zwanzigste Jahrhundert und unternahm zudem Ausflüge ins neunzehnte und einundzwanzigste Jahrhundert. Er begann mit dem Spanisch-Amerikanischen Krieg und endete mit den Drogenkriegen der Gegenwart. Herausgekommen war er als Taschenbuch bei einem kleinen Verlag in Nebraska, der kurz nach der Veröffentlichung pleitegegangen war. Luther trug stets ein zerlesenes Exemplar mit sich herum und las laut daraus vor, wann immer eine Unterhaltung ins Stocken geriet. Da ich genau das befürchtete, sprach ich weiter.
»Ich meine, natürlich verstehe ich das, vollkommen sogar. Ich bezweifle nur, dass Carla mit jemandem vögelt. Das passt nicht zu ihr.«
»Ich möchte, dass du sie überwachst, J.P. Finde heraus, wer dieser Hurensohn ist. Mach Fotos. Ich brauche handfeste Beweise, wenn ich zu meinem Anwalt gehe.«
»Das ist nicht mein Ding. Und ganz nebenbei, was Treue betrifft, bist du wahrlich kein Waisenknabe.«
Vor einigen Jahren hatte er eine Geliebte in Las Cruces, eine Kellnerin, die Kette rauchte, drei Kinder hatte, aber keinen Ehemann. Luther zeigte sich spendabel und gab ihr Geld, wann immer sie ihn darum bat, was ziemlich oft vorkam. Sie wurde süchtig danach. Als er ihr den Laufpass gab, bekam sie Entzugserscheinungen und flippte aus. Sie verlangte, dass er sich scheiden lasse und sie heirate, andernfalls — so ihre Drohung — werde sie ihn wegen Liebesentzugs verklagen. Als der Effekt ausblieb, brachte sie ihren Bruder Marky »Crippler« Monzón ins Spiel, einen ehemaligen Profiwrestler. »Marky weiß, wie man jemand in null Komma nichts zu einem sabbernden Etwas zusammenfaltet«, tönte sie. »Wenn Marky mit dir fertig ist, sitzt du in deiner alten Scheiße, atmest durch ein Loch im Hals und siehst zu, wie auf deinem toten Schwanz der Eichelkäse blüht.« Um sie loszuwerden, gab ihr Luther fünfzehntausend Dollar und einen Oldtimer, einen Cadillac Coupe de Ville.
»Bei Männern ist das was anderes«, sagte Luther. »Kein amouröses Intermezzo hatte für mich je eine Bedeutung. Aber wenn eine Frau fremdgeht, bedeutet das etwas. Meine Güte, ist dir das völlig neu? Oder fällst du auf diesen New-Age-Blödsinn rein, wonach Frauen die gleichen sexuellen Freiheiten haben wie Männer?«
»In den Gelben Seiten wirst du fündig, wenn du nach einem schmierigen Schnüffler suchst, der für dich die Drecksarbeit macht, Luther«, hielt ich ihm entgegen. »Dafür brauchst du mich nicht.«
Er nippte an seinem Bier und seine blassblauen Augen fixierten mich über den Rand des Glases hinweg. »Ich möchte, dass du das machst, weil du mein Freund bist«, sagte er. »Ich möchte nicht, dass ein Fremder Carla observiert. Ich liebe sie immer noch,
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