Götterdämmerung
Wirtschaftsintrige größten Ausmaßes gehandelt hätte.
Nur war das bedauerlicherweise nicht der Fall, wie Cameron umgehend herausfinden sollte.
4
Erasmus hatte gerade die windschiefe Gartenpforte geschlossen und sich auf den Weg zur Veranda gemacht, als er die Abwärtsbewegung der Klinke in der hölzernen Haustür bemerkte. Er brachte noch ein ersticktes «Nein!» heraus, dann war der große, schwarze Schatten über ihm und warf ihn rücklings auf die kleine Wiese neben dem Weg aus Schieferplatten. Riesige Zotteltatzen drückten den Salatbar-Installateur zwischen die wildwachsenden Blumen, und gelbe Hauer glänzten vor seinem Gesicht.
«Aus, Baal. Aus», sagte Erasmus und kraulte den schwarzen Neufundländer hinter den Ohren. Baal dachte gar nicht daran zu gehorchen. Stattdessen klatschte er seinem Herrchen eine ungeheuer nasse Zunge auf die Nase und wedelte fröhlich mit dem Schwanz.
«Komm her, Baal», sagte eine sanfte weibliche Stimme. Der Hund ließ unverzüglich von seinem Opfer ab und galoppierte zur Veranda zurück. Erasmus sah auf.
Diana saß auf der obersten Stufe der Verandatreppe und hielt freudestrahlend einen kleinen Geburtstagskuchen hoch, auf dem sich neununddreißig schlanke Kerzen drängelten. Baal saß atemlos hechelnd, aber vergleichsweise artig neben ihr.
«Herzlichen Glückwunsch», sagte Diana strahlend.
«Oh.» Erasmus setzte sich auf. Dann kratzte er sich verlegen am Hinterkopf und sagte noch mal «Oh».
Für einen Augenblick saßen die beiden da und lächelten sich an. Baal saß da und hechelte die beiden an. Nach einer langen, langen Weile fragte Diana Erasmus, ob er nicht ins Haus kommen wolle. Erasmus sagte erneut «Oh» und dann «Doch».
Das Haus mit der Veranda war alt, zweistöckig und etwas baufällig. Außerdem war es unordentlich, und zwar trotz Dianas Einfluss. Bis vor einem Jahr hatte Erasmus allein unter dem löchrigen Dach mit den Erkern und Giebeln gelebt und zwischen all den Büchern, Joghurtbechern, leeren Keksdosen, alten Schildern, abgeblätterten Möbeln und Tonnen von Hochglanz-Werbesendungen zuweilen sogar Baal nicht wiedergefunden. Draußen, am Torpfosten neben der Gartenpforte hingen zwei weiße Emaille-Schilder, erstens «Weinbergers Salat-Bar-Service», zweitens «Detektei Argwohn», und beide Firmen waren in dem als Wohnhaus getarnten Chaos zu Hause. Erasmus hatte schon immer darin gelebt. Er war darin zur Welt gekommen, darin aufgewachsen, darin älter geworden, hatte seine Eltern darin betrauert, es mit Büchern und Joghurtbechern beladen und dann allen möglichen Gedanken nachgespürt. Bis zu Dianas Auftauchen war ihm gar nicht aufgefallen, dass es in den Augen der meisten Menschen ein bisschen unordentlich war.
Unheimlich unordentlich.
Dass dieses Chaos Erasmus nicht aufgefallen war, lag nicht etwa daran, dass er nicht auf seine Umgebung achtete. Er hatte sie durchaus registriert, nur hatte ihm gar nichts Unordentliches auffallen
können
, weil er unter Ordnung eben etwas vollkommen anderes verstand als die meisten Menschen, nämlich nichts. Rechte Winkel, in Reih und Glied stehende Bücherlegionen und aufgeräumte, staublose Regale waren ihm zwar nicht direkt zuwider, aber er empfand auch keine besondere Freude, wenn er sie sah.
Seit Diana mit ihm zusammenlebte, machte das Haus immerhin einen geringfügig aufgeräumteren Eindruck; es wirkte seither wie ein alter Schuppen, in den man alles Gerümpel wirft, das man nicht mehr brauchen kann. Erasmus war es egal – er redete anderen Leuten nicht in ihre Freizeitbeschäftigungen, und wenn Diana gern aufräumte, sollte sie ruhig aufräumen.
Erasmus mochte Diana. Genau genommen mochte er sie sogar sehr, sogar etwas mehr als Baal, nur wusste er das nicht. Diana hingegen wusste, da sie auf wesentlich konventionellere Art und Weise ordentlich war als Erasmus, dass sie den sonderbaren Mann mit den struppigen Haaren und dem blauen Overall mehr liebte als alles andere auf der Welt. Das hatte sie sofort gewusst, schon als sie ihn vor einem knappen Jahr zum ersten Mal gesehen hatte. Als sie zu diesem komischen Haus gefahren war, um eine Salatbardüse bei Weinbergers Salat-Bar-Service abzugeben. Sie hatte geklingelt, Erasmus angesehen, ihm die Düse überreicht, ein bisschen gestottert, ihr Kurierklemmbrett in den Topf mit den Stiefmütterchen gestopft (wo es noch immer steckte) und war geblieben. Was Erasmus übrigens nicht gestört hatte. Ganz im Gegenteil. Er hatte die kleine, dunkelhaarige Kurierfahrerin
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