Goettersterben
einem Augenblick gezeigt hatte, wie gewandt und schnell sie sich bewegen konnte. Blitzartig schlug er ihren Arm zur Seite und rechnete fest mit einer Finte oder einer weiteren Heimtücke, aber sie nahm den Hieb ohne mit der Wimper zu zucken hin, taumelte zurück und stocherte noch in der Bewegung ungeschickt mit der Messerspitze nach seinen Armen. Sowohl die Waffe als auch die Art ihres Angriffes waren kaum in der Lage, ihn ernsthaft zu verletzen, aber er wich dem Stoß trotzdem instinktiv aus, schleuderte die Vampyrin zu Boden und stieß blindlings mit Gunjir hinter sich, als er dort eine Bewegung spürte. Er traf, riss das Schwert mit einem Ruck wieder zurück und wirbelte in der gleichen Bewegung und gerade noch rechtzeitig herum, um den Vampyr in die Knie brechen zu sehen. Sein Gesicht war blutüberströmt, aber Andrej erkannte trotzdem den Ausdruck fassungslosen Staunens und aufkeimenden Entsetzens in seinen Augen, als er den Biss des Götterschwertes spürte und allmählich begriff, dass diese Klinge ihm weit mehr antat, als jede von Menschenhand geschmiedete Waffe es gekonnt hätte. Gunjir stieß blitzartig zu, wobei die Waffe mehr Andrejs Hand führte als diese das Schwert, und der Kopf des Vampyrs flog davon und verschwand in der Dunkelheit, während sich sein enthaupteter Torso noch einen Herzschlag lang trotzig gegen das Unausweichliche zu stemmen schien und dann so langsam nach vorne sank, als würde er von unsichtbaren Bändern gehalten. Schwer atmend wandte Andrej sich um, wischte das Blut von Gunjirs Klinge und sah auf die Vampyrin hinab. Er war überrascht, dass sie die Chance nicht genutzt hatte, aufzustehen und ihm ihr Messerchen in den Rücken zu stoßen; vielleicht hatte er sie doch härter getroffen, als er geglaubt hatte.
Immerhin versuchte sie sich genau in diesem Moment aufzurappeln, hielt aber sofort in ihrer Bewegung inne, als er Gunjir senkte und die Spitze der Klinge auf ihre Kehle setzte. Täuschte er sich, oder loderte für einen Moment so etwas wie nackte Panik in ihrem Blick auf? »Ich an deiner Stelle würde jetzt aufgeben«, sagte er. »Aber die Entscheidung liegt natürlich bei dir.« Und natürlich bekam er auch keine Antwort. Die junge Frau – nein, Andrej korrigierte sowohl sich selbst auch seine erste Einschätzung in Gedanken: Sie war noch ein Mädchen, möglicherweise ein Jahrhundert alt oder auch zwei, aber ihr Körper war der einer sechzehn- oder siebzehnjährigen – starrte nur das Schwert in seiner Hand an, und was er in ihren Augen las, das war jetzt die blanke Todesangst. Vielleicht eine neue Erfahrung für sie, dachte er, die ihr ganz gut tat.
Andrej bemerkte erst jetzt, dass sich die Klinge allein durch ihr bloßes Gewicht eine Winzigkeit weiter gesenkt und ihre Kehle geritzt hatte. Die Wunde war nicht gefährlich und tat vermutlich nicht einmal weh; ein winziger Schnitt, aus dem ein einzelner Blutstropfen quoll und eine geschwungene rote Spur an ihrem Hals hinabzog.
Der Anblick löste etwas in ihm aus, das Andrej verwirrte. Ein Gefühl, ein Bild, das nicht hierher gehörte, nicht an diesen Ort und schon gar nicht in diesen Moment. Hastig zog er das Schwert zurück, und das Mädchen nutzte sofort die Gelegenheit, in eine halb sitzende Position hochzuschnellen und nach seinem Messer zu greifen.
Andrej trat es weg, schob Gunjir wieder in die lederne Scheide an seinem Gürtel und riss das Mädchen mit der anderen Hand auf die Beine. Sofort versuchte sie, ihm mit den Fingernägeln das Gesicht zu zerkratzen. Andrej stieß sie so wuchtig gegen die Wand, dass sie vor Schmerz stöhnte und benommen ein Stück weit in die Knie ging. Ihr Blick begann sich zu verschleiern. Ein zweiter, kleinerer Blutstropfen quoll aus dem winzigen Schnitt an ihrem Hals und folgte der roten Spur des ersten. Andrejs Blick ließ die dunkelrote Träne erst los, als sie zwischen den noch beinahe kindlichen Brüsten des Mädchens verschwand, und diesmal reagierte sein Körper noch weitaus stärker auf das Bild als eben.
»Willst du, dass ich dich töte?«, fragte er. Seine Stimme klang belegt und nicht annähernd so fest, wie er es erwartet hatte. Es fiel ihm immer schwerer, seinen Blick vom Ausschnitt des Mädchens loszureißen, und er konnte nicht sagen, was ihn mehr in seinen Bann schlug: Der Anblick der weichen Rundungen unter ihrem Kleid oder das lebendige, warme Rot, das an ihrem Hals hinabrann. Vielleicht beides. Blut war so wenig ein Lebenselixier für ihn wie für irgendeinen anderen Vampyr,
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