Goettersterben
lauter nach der Frau, und der Vampyr tief in ihm heulte nach ihrem Blut.
Ohne sich der Bewegung auch nur bewusst zu sein, geschweige denn etwas dagegen tun zu können, drängte er sich enger an sie, presste sie mit seinem ganzen Körper gegen die Wand und legte die Hand unter ihr Kinn, um ihren Kopf in den Nacken zu pressen und sie auf diese Weise zu zwingen, ihn anzusehen. Ein weiterer Fehler. Er war ihr zu nah, viel zu nahe. Der Geruch ihres Blutes stieg ihm immer berauschender in die Nase, und sein Körper rief nach dem verwundbaren, weichen Körper der Frau, den er durch den dünnen Stoff ihres Kleides hindurch spürte. Während er seine eigene Reaktion beobachtete, begriff er voll hilflosem Erschrecken, dass er nichts dagegen tun konnte.
Das Mädchen schrie, wimmerte und wand sich immer verzweifelter unter seinem Griff, aber ihr Widerstand fachte seine Gier nur noch weiter an. Seine Hände tasteten über ihren schlanken Leib, begrapschten ihre Hüfte und ihren Rücken und krochen höher, und sein Gesicht näherte sich dem des Mädchens, bis er die doppelte Süße ihrer Lippen und ihres Blutes schmeckte. Er würde sie nehmen, dachte er entsetzt, zuerst ihren Körper und dann ihr Leben. Und er war machtlos dagegen.
Und er hätte es getan, hätte sie nicht in diesem Moment ihre Hand losgerissen und ihm die Faust gegen die Schläfe geschmettert. Es war ein lächerlicher Hieb, der Schlag eines Kindes, aber er traf sein verletztes Auge. Der Schmerz war unbeschreiblich. Wo sein Auge gewesen war, explodierte eine weiße Sonne aus purer Qual, die schlimmer war als alles, was er jemals zuvor erlebt hatte. Andrej schrie vor Pein, taumelte zurück und fiel ungeschickt auf den Rücken. Blut tränkte den Verband um seinen Kopf, und flüssiges Feuer brannte sich seinen Weg durch jeden einzelnen Nerv in seinem Leib. Die Qual war so stark, dass er sich wünschte, das Bewusstsein zu verlieren oder vielleicht auch zu sterben.
Doch diese Gnade wurde ihm nicht gewährt. Der Schmerz schien noch schlimmer zu werden, bohrte sich wie ein glühender Dolch tief in seinen Schädel und ließ ihn sich schreiend herumwälzen, und dann erwachte sein rasender Bruder, der Zorn. Wut, alles hinwegfegende, reine Wut stieg vom Grunde seiner Seele empor, wischte den Schmerz nicht fort, aber nahm ihm seine lähmende Kraft und riss Andrej auf die Beine. Wie durch einen roten Nebel hindurch sah er, wie das Mädchen schluchzend in der Dunkelheit verschwand. Aber das nutzte ihr nichts. Er war nicht darauf angewiesen, sie zu sehen. Er hörte ihre Schritte, ihr Schluchzen und das rasende Hämmern ihres Herzens, und er witterte ihr Blut und ihre Angst. Mit einem einzigen gewaltigen Satz holte er sie ein, schleuderte sie zu Boden und stampfte mit dem Fuß nach ihrem Gesicht. Das Mädchen warf sich im allerletzten Moment herum und entging dem tödlichen Angriff, besaß zugleich aber auch Geistesgegenwart genug, ihrerseits nach ihm zu treten. Andrej, der noch immer schrie – jetzt aber vor Wut und Mordlust –, sank überrascht auf das linke Knie hinab und wäre beinahe vollends gestürzt, hätte er sich nicht im letzten Moment mit beiden Händen abgestützt, und die Vampyrin rollte blitzschnell herum, stemmte sich halb in die Höhe und machte dann mit ausgestreckten Armen einen Hechtsprung, der sie ein gutes Stück weit über den rauen Boden schlittern ließ, statt die vermeintliche Chance zu nutzen, die sich ihr bot, und die Flucht zu ergreifen. Erst, als sie zur Ruhe kam, begriff Andrej den Sinn ihrer Aktion. Zwischen ihren Fingern schimmerte plötzlich die Klinge des Messers, das er ihr gerade aus der Hand geschlagen hatte.
Doch dann, statt endlich davonzurennen, warf sie sich abermals herum, packte den Dolch mit beiden Händen und versuchte die Klinge durch seinen Stiefel zu rammen. Es war nichts als ein bloßer Reflex, der Andrejs Zehen rettete. Um den Preis, abermals das Gleichgewicht zu verlieren und ungeschickt gegen die Wand zu prallen, zog Andrej den Fuß zurück, und der Dolch grub sich knirschend in den Boden und brach ab. Die gesplitterte Klinge hinterließ eine tiefe, blutende Spur in den Handflächen des Mädchens, was die Vampyrin aber nicht daran hinderte, auf die Füße zu rollen.
Diesmal kam ihre Reaktion zu spät. Andrej war immer noch halb wahnsinnig vor Schmerzen und zu keinem klaren Gedanken fähig, aber er hatte in seinem Leben so viele Kämpfe gefochten, dass ein klarer Gedanke nicht nötig war. Sein Körper wusste beinahe besser als
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