Goettersterben
Waffen, die aus ihrer Umhüllung gezogen wurden. Eine Falle. Der Bursche hatte gewollt, dass er ihn sah, denn er hatte es keineswegs auf eine Kiste Rüben oder warme Wollsocken abgesehen gehabt, sondern auf ihn. Andrej überlegte einen Moment lang ganz ernsthaft, auf Abu Duns Rückkehr zu warten, verwarf die Idee jedoch im gleichen Moment, in dem er sich den Kommentar des Nubiers vorzustellen versuchte. Außerdem waren die anderen nur zu viert, und so krank war er nun auch wieder nicht.
»Also gut, Freunde«, murmelte er. »Wenn ihr spielen wollt …« Mit einem entschlossenen Schritt trat er durch die Tür, hörte ein Rascheln zu seiner Linken und schlug mit der flachen Hand mit aller Macht in die entsprechende Richtung. Ein überraschtes Keuchen ertönte, und irgendetwas Schweres polterte zu Boden, obwohl er nicht einmal gespürt hatte, dass er etwas getroffen hatte. Blitzartig schlug er die Tür hinter sich zu, und der Raum versank vollends in Schwärze … ein Vorteil, den er zu nutzen wissen würde. Sein Gehör und sein instinktives Gespür für Bewegung verrieten ihm den Dolch, der genau dorthin gestoßen wurde, wo er gerade noch gestanden hatte. Andrej schlug ihn mit einer fast beiläufigen Bewegung zur Seite, rammte die andere Faust in die Dunkelheit dahinter und horchte befriedigt auf das Klatschen und den pfeifenden Laut, mit dem die Luft zwischen den gebrochenen Rippen des unsichtbaren Angreifers hindurch aus seinen Lungen gepresst wurde. Dieser brach gurgelnd zusammen, und Andrej huschte lautlos an ihm vorbei und duckte sich, um zu lauschen. Er hatte sich getäuscht. Nicht vier Männer, sondern fünf lauerten im Hinterhalt. Zwei befanden sich links von ihm, der dritte auf der anderen Seite und ein paar Schritte entfernt, und zumindest er musste entweder über ein außergewöhnlich scharfes Gehör verfügen oder Augen wie eine Katze haben, denn er bewegte sich nicht nur auf ihn zu, er tat es auch so zielsicher, dass es kein bloßer Zufall oder nur pures Glück sein konnte. Diese Sicherheit war sonderbar, vielleicht sogar beunruhigend, aber es machte die Sache auch spannender. Andrej registrierte beinahe überrascht, dass er die Situation zu genießen begann. Die Erregung des Jägers hatte ihn ergriffen, und er konzentrierte sich mit all seinen Sinnen auf den heranschleichenden Burschen, wartete den richtigen Moment ab und trat dann zu.
Er traf, aber nicht annähernd so hart und präzise, wie er gehofft hatte. Statt gegen die Kinnspitze des Mannes prallte sein Fuß nur gegen dessen Schulter, weil sich der Bursche im letzten Moment zur Seite und zurück warf. Auch war der Tritt nicht annähernd hart genug, um sie zu brechen, sondern schleuderte ihn lediglich zu Boden. Der Kerl musste geradezu übermenschlich schnelle Reaktionen haben.
Was möglicherweise daran lag, dass er in der Tat kein Mensch war .
Beinahe zu spät begriff Andrej seinen Irrtum. Sein Gegner war kein Mensch, sondern ein Vampyr. Hinter ihm scharrte es, und gerade noch rechtzeitig erinnerte sich Andrej an die beiden anderen Kerle. Sich der Gefahr bewusst, dem Vampyr den Rücken zuzuwenden, fuhr er herum, packte die beiden Burschen an der Brust und schlug ihre Köpfe mit solcher Wucht aneinander, dass der Glücklichere der beiden auf der Stelle starb. Noch bevor der andere schreiend zusammenbrach und die Hände gegen seinen gebrochenen Schädel schlug, fuhr Andrej abermals herum und riss schützend den linken Arm vor das Gesicht. Etwas biss glutheiß und grausam tief in seinen Unterarm, und ein Fausthieb traf ihn so hart gegen die Brust, dass er zurück und gegen die Wand taumelte. Schmerzen loderten in seinem verletzten Arm, und der Hieb war hart genug gewesen, um ihm nicht nur zwei oder drei Rippen zu brechen, sondern ihm auch alle Kraft zu nehmen. Panik wollte sich seiner bemächtigen, aber das ließ er nicht zu. Stattdessen nahm er einen zweiten, womöglich noch härteren Treffer hin, registrierte mit sonderbar distanziertem Entsetzen, wie seine Knie unter dem Gewicht seines Körpers nachgaben, und ließ sich einfach zur Seite fallen. Metall grub sich knirschend genau dort in die Wand, wo sich zweifellos seine Kehle befunden hätte, wäre er nicht gestürzt, und als der Dolch zurückgerissen wurde, drang ein einzelner, gleißend heller Sonnenstrahl durch das schmale Loch, das die Waffe in die Wand gebohrt hatte.
Das erwies sich als fatal für seinen Gegner.
Er ging weder in Flammen auf noch ergriff er schreiend die Flucht, wie es der
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