Göttin der Rosen
und war genauso schwer zu deuten wie sein Gesichtsausdruck, aber er sah sie an und dann schnell wieder weg, als wäre er plötzlich unerklärlich nervös.
»Eine Karte?«, fragte sie begriffsstutzig, aber dann erinnerte sie sich. »Oh! Eine Karte, mit der ich die Gärten unter den Elementaren aufteilen könnte. Das wäre super«, sagte sie schnell. »Warum gibst du mir nicht ein bisschen Zeit, um hier aufzuräumen und mich umzuziehen, und dann treffen wir uns auf meinem Balkon? Wir könnten beim Essen über die Karte sprechen. Du könntest dein Zeichenzeug mitbringen und die Gärten schon mal grob skizzieren.«
»Nein!« Er stieß das Wort beinahe wie ein Knurren hervor, und wieder drehten sich einige Köpfe zu ihnen um. Schnell senkte er seine mächtige Stimme. »Nein«, wiederholte er, »das wäre nicht angemessen.«
»Und warum nicht?«, fragte sie leichthin. »Ich muss etwas essen; du musst etwas essen. Und wir müssen über die Karte reden, je früher desto besser, damit ich den Dienerinnen gleich bei Tagesanbruch Anweisungen geben kann.« Kurz wunderte sie sich über die absolute Gewissheit, mit der sie wusste, dass sie ihn überzeugen musste. Hatte das etwas mit der herablassenden Art zu tun, mit der Gii vorhin über ihn gesprochen hatte? Ich muss aufhören, an mir selbst zu zweifeln, und einfach auf mein Bauchgefühl hören! , wies sie sich zurecht. »Aber wenn du wirklich nicht auf meinen Balkon kommen willst – was ich ehrlich nicht verstehe, weil du letzte Nacht auch dort warst –, dann lasse ich das Abendessen dahin bringen, wo du wohnst. Wir könnten dort essen, während …«
»Ich werde auf deinen Balkon kommen!«, willigte er hastig ein.
»Gut.« Sie gab sich alle Mühe, sich die freudige Erregung, die sie bei seiner Zustimmung erfasste, nicht anmerken zu lassen. »Aber vergiss nicht, dass ich hier erst mal aufräumen und ein Bad nehmen muss. Ich bin echt fix und fertig und …«
Er hob eine mächtige Pranke, um sie zu unterbrechen.
»Soll ich dich einfach rufen, wenn ich soweit bin?«, fragte sie freundlich.
»Wenn Ihr ruft, werde ich kommen.«
Mit diesen Worten drehte er sich um und ging zum Tor zurück.
»Das lief doch ganz gut«, meinte Mikki zu dem Félicité-Parmentier-Rosenbeet.
»Ich würde so ziemlich alles für ein heißes Bad in einem Whirlpool geben«, sagte Mikki zu niemand Bestimmtem, während sie mit ihren vier Dienerinnen langsam zum Palast zurückschlenderte.
»Empousa, könntet Ihr beschreiben, was genau Ihr mit einem ›Whirlpool‹ meint?«, fragte Nera.
»Natürlich – und das wird dir gefallen, denn es hat definitiv mit Wasser zu tun.« Sie grinste die Dienerin des Wassers an, die leise kicherte. »Ein Whirlpool ist eine große Wanne mit warmem, sprudelndem Wasser, das auf eine fast magische Art alle Schmerzen lindert und die Muskeln lockert.« Mikki seufzte sehnsüchtig. »Betrieben wird er von moderner Technik, so etwas wie der Magie meiner alten Welt.«
»Ich denke, da schneidet deine neue Welt besser ab.« Gii lächelte die anderen Dienerinnen vielsagend an.
»Wir können unserer Empousa auf jeden Fall mehr bieten als eine Wanne mit sprudelndem Wasser«, fügte Nera hinzu.
»Das stimmt.« Aeras nickte.
»Und wenn Ihr es heiß mögt, lässt sich das auch einrichten«, sagte die Dienerin des Feuers mit einem schelmischen Grinsen.
Gii und Nera nahmen Mikki bei der Hand. Mit neuer Energie eilten die fünf Frauen um die Seite des Palasts herum, an der ihr Zimmer und der elegant geschwungene Balkon lagen. Der Pfad, dem sie folgten, führte zwischen zwei Reihen von kugelförmig geschnittenen Rosenhecken hindurch, machte dann eine leichte Biegung und ging über in eine breite Treppe, die sich sanft nach rechts den Abhang hinabschlängelte. Noch bevor sie die erste Stufe erreicht hatten, fühlte Mikki, wie die Luft plötzlich wärmer wurde, und roch etwas, was ihr vage bekannt vorkam …
Die Stufen endeten auf einer weißen Marmorterrasse. Als Mikki sie betrat, verschlug es ihr den Atem. »Eine heiße Quelle!«, rief sie begeistert. Aber so eine heiße Quelle hatte sie noch nie gesehen. Auf der oberen von zwei Ebenen befanden sich fünf kleine Becken, jedes ungefähr doppelt so groß wie ein modernder Whirlpool, die aussahen, als wären sie mit einem riesigen Eislöffel aus dem weißen Stein ausgehoben worden. Und sie waren gefüllt mit sanft blubberndem Wasser, das so blau war, dass es schon fast türkis schimmerte. Vom Rand dieser Ebene ergoss sich ein
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