Gohar der Bettler
nicht anders.«
Die Tür ging auf, und herein kamen zwei Polizisten; sie musterten Yeghen, dann traten sie langsam auf ihn zu.
»Wirst du jetzt endlich reden?«
Yeghen blieb stumm. Nour El Dine gab den Polizisten ein Zeichen.
Der eine von ihnen blieb hinter Yeghen stehen, während der andere sich vor ihn stellte, bereit, jeden Augenblick auf ihn einzuschlagen.
Yeghen nahm die ganze Szene wie ein unbeteiligter Zuschauer wahr. Er sagte sich lediglich, daß es ein Fehler war zu behaupten, der Offizier würde sich unangenehmen Spielereien widmen. Für diese Art von Menschen mußte das Ganze sehr angenehm sein. Alles in allem amüsierten sich diese Leute auf ihre eigene Art und Weise. Er empfand weder Haß noch Verachtung für sie. Er fühlte sich sehr ruhig und schloß die Augen.
Der erste Schlag hätte ihm beinahe den Kopf abgerissen; er spürte einen furchtbaren Schmerz, der sofort von dem eines zweiten Schlages und dann all den anderen, die folgten, abgelöst wurde. Danach vergrößerte sich der Schmerz, bildete ein kompaktes, maßloses Ganzes. Yeghen war von der tiefen Dunkelheit eines schwarzen Abgrunds umhüllt, in der gleißende Blitze aufleuchteten. Manchmal drang die Stimme Nour El Dines an sein Ohr, der immer wieder fragte:
»Wirst du endlich reden, du Hundesohn?!«
Plötzlich hörte er trotz des Getöses in seinem Kopf ein fernes Geräusch. Dieses Geräusch erinnerte ihn an etwas, und er versuchte sich zu erinnern, woran. Es dauerte lange, bis es ihm einfiel. Der Kanonenschuß zu Mittag. Es war Mittag, und der Kanonenschuß war abgefeuert worden. Er öffnete die Augen und schrie:
»Gute Leute, es ist Mittag!«
Der Polizist, der gerade den Arm erhoben hatte, um auf ihn einzuschlagen, hielt völlig verblüfft inne.
»Ja und?« fragte er.
»Nun, ich denke, es ist Essenszeit«, sagte Yeghen mit schwacher Stimme. »Ich habe Hunger.«
Nour El Dine vergrub sein Gesicht in den Händen; er hatte das Bedürfnis loszuheulen.
»Schmeißt ihn raus«, sagte er. »Ich will ihn nicht mehr sehen.«
Die Polizisten packten Yeghen und schleppten ihn hinaus. Nour El Dine blieb völlig fassungslos allein zurück. Dann erinnerte er sich daran, daß Mittag war, und stand auf, um essen zu gehen.
Als er aus der Polizeistation auf die Straße hinaustrat, dachte Nour El Dine, daß Gohar ohne Zweifel der Mörder sei. Was aber ging ihn das jetzt noch an? Er hatte beschlossen, den Dienst zu quittieren und fortan als Bettler zu leben. Als Bettler, das war einfach; aber stolz? Wo sollte er den Stolz hernehmen? Im Augenblick empfand er nur noch maßlosen Überdruß, ein ungeheures Bedürfnis nach Frieden - einfach nur Frieden.
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