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Gohar der Bettler

Gohar der Bettler

Titel: Gohar der Bettler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Albert Cossery
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betrachtete er den Polizeioffizier mit vergnügtem Blick, als würde diese Begegnung ihm eine eigenartige Befriedigung verschaffen. Er ahnte natürlich, daß sie nicht zufällig stattfand und Nour El Dine in der Absicht zu ihm kam, ihm Fragen über das Verbrechen zu stellen. Verdächtigte er ihn bereits? Jedenfalls hatte er diesen Besuch erwartet. Er hatte ihn sogar herbeigewünscht.
    »Bitte verzeih, wenn ich vor dir hergehe«, sagte er, »aber ich muß dir den Weg zeigen. Ansonsten riskierst du dein Leben. Diese Treppe ist ein wahrer Abgrund; jede ihrer Stufen gleicht einer Falle.«
    Einer nach dem anderen stiegen sie langsam die dunkle Treppe hinauf. Nour El Dine sah Gohar nicht in dieser undurchdringlichen Dunkelheit; er hörte lediglich seinen keuchenden und rauhen Atem. Er hatte den Eindruck, plötzlich blind geworden zu sein.
    Endlich ein Lichtschimmer. Gohar blieb im Treppenflur stehen; die Tür zu seiner Nachbarwohnung, die vom Licht einer Petroleumlampe schwach erleuchtet wurde und leer zu sein schien, stand offen. Gohar blieb einige Sekunden lang unschlüssig stehen. Diese offene Tür machte ihm angst; er wollte nicht auf dieses furchtbare Klatschweib, seine Nachbarin, stoßen. Aber plötzlich setzte eine Stimme, die dem Jammern eines Kindes ähnelte, seinem Zögern ein Ende.
    »Gute Leute! Helft mir!«
    Gohar ging auf die Türschwelle zu und betrat dann die Wohnung seiner Nachbarn, um herauszufinden, woher dieser herzzerreißende Hilferuf kam. In einer Ecke des Zimmers entdeckte er auf dem Boden den Stumpf von einem Mann, der einer schwerbeschädigten Statue ähnelte. Mit tränenerfüllten Augen starrte der Stumpf-Mann wie ein Wahnsinniger auf einen Teller, der vor ihm stand und auf dem dicke Bohnen sowie ein Stück Brot lagen: sein Abendessen. Als Gohar sich ihm näherte, hob er den Kopf, und auf seinem Gesicht war der Ausdruck größter Erleichterung zu erkennen.
    »Was kann ich für dich tun?« fragte Gohar.
    »Ich habe Hunger«, antwortete der Stumpf-Mann. »Die Frau ist weggegangen und hat mich ganz allein zurückgelassen. Könntest du mir beim Essen helfen?«
    »Aber sicher«, sagte Gohar.
    Er beugte sich nieder, um seinen Zeitungsstapel auf den Boden zu legen, wodurch Nour El Dine im Türrahmen zu sehen war.
    »Polizei!« rief der Stumpf-Mann, als er ihn sah. »Was hat die Polizei denn hier zu suchen?«
    »Er ist ein Freund«, sagte Gohar. »Bleib ganz ruhig; er will dir nichts tun.«
    »Ich will die Polizei hier nicht sehen. Er soll gehen!«
    Der Stumpf-Mann vergaß seinen Hunger und dachte mit vor Angst verdrehten Augen nur noch an den unglaublichen Skandal, den die Anwesenheit eines Polizeioffiziers in seinem Elendsquartier darstellte. Auf seinem Sockel aus übereinandergestapelten Lumpen wand er sich hin und her, stieß Laute aus wie ein in die Falle gegangenes Tier und unternahm auf diese Weise den absurden Versuch, dem zu entgehen, was er für eine Verhaftung hielt. Seine verzweifelten Anstrengungen waren so ergreifend, daß Nour El Dine ihm schon zu Hilfe eilen wollte. Zu guter Letzt jedoch beruhigte er sich, und langsam wich seine Angst, er verharrte regungslos, mit offenem Mund, und wartete auf sein Essen. Mit seiner breiten, platten Nase, seinen dicken Lippen und seinen bärtigen, aufgedunsenen Wangen ähnelte er einer riesigen Kröte.
    Gohar hockte sich neben ihn und fütterte ihn mit beinahe mütterlichem Feingefühl und mit Sanftmut. Er verhielt sich gegenüber dem Stumpf-Mann genauso, wie er es bei einem Kind getan hätte.
    »Warum ist sie weggegangen?« fragte er. »Habt ihr euch gestritten?«
    »Ja«, antwortete der Stumpf-Mann. »Diese Hündin ist eifersüchtig. Unentwegt macht sie mir Scherereien.«
    »Sie ist eifersüchtig, weil sie dich liebt«, sagte Gohar. »Erzähl, was ist passiert?«
    »Nun denn, als sie mich heute abend in der Stadt abholte, unterhielt ich mich gerade mit einer jungen Kippensammlerin. Das hat sie wütend gemacht. Jedesmal wenn sie eine Frau in meiner Nähe sieht, wird sie wahnsinnig vor Eifersucht. Und dabei bin ich ihr treu. Ich kann doch nichts dafür, wenn die Frauen sich ständig an mich heranmachen. Bei Gott, ich weiß nicht, was sie an mir so anziehend finden!«
    Nour El Dine lehnte mit dem Rücken gegen den Türrahmen wie ein Verurteilter gegen seinen Marterpfahl. Die Worte des Stumpf-Mannes drangen kaum bis in sein Bewußtsein vor. Konnte das alles denn wahr sein? Eine derartige Selbstgefälligkeit und Überheblichkeit bei einem so abstoßenden

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