Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Gold. Pirate Latitudes

Gold. Pirate Latitudes

Titel: Gold. Pirate Latitudes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Crichton
Vom Netzwerk:
–, dass ich aus Erfahrung spreche und die Dinge mit der rechten Einsicht beurteile. Seid doch so freundlich, mir heute Abend beim Dinner mit Captain Morton Gesellschaft zu leisten. Bis dahin werdet Ihr mit dem Bezug Eurer Unterkunft sicherlich noch ausreichend beschäftigt sein.«
    Das Gespräch war offensichtlich beendet. Hacklett und seine Frau standen auf. Hacklett verbeugte sich knapp, förmlich. »Sir James.«
    »Mr Hacklett. Mrs Hacklett.«
     
    Die beiden verließen den Raum. Der Berater schloss die Tür hinter ihnen. Almont rieb sich die Augen. »Du lieber Himmel«, sagte er kopfschüttelnd.
    »Möchtet Ihr Euch jetzt ausruhen, Euer Exzellenz?«, fragte John.
    »Ja«, sagte Almont. »Ich möchte mich ausruhen.« Er erhob sich von seinem Schreibtisch und ging den Flur hinunter zu seinen Gemächern. Als er an einer Tür vorbeikam, hörte er Wasser in eine Eisenwanne platschen und das Kichern einer Frau. Er blickte John an.
    »Das Hausmädchen wird gebadet«, sagte John.
    Almont stieß ein Brummen aus.
    »Wünscht Ihr, sie später in Augenschein zu nehmen?«
    »Ja, später«, sagte Almont. Er blickte John an und spürte einen Anflug von Belustigung. John war offenbar noch immer verängstigt wegen der Hexereianschuldigung. Die Ängste des gemeinen Volks, dachte er, waren ebenso stark wie töricht.

KAPITEL 5
    Anne Sharpe entspannte sich im warmen Badewasser und lauschte dem Geplapper der riesigen schwarzen Frau, die im Raum hin und her eilte. Anne konnte kaum ein Wort verstehen von dem, was die Frau sagte, obwohl sie offenbar Englisch sprach. Ihr singender Tonfall und ihre ulkige Aussprache klangen überaus seltsam. Die schwarze Frau sagte irgendetwas darüber, was Gouverneur Almont doch für ein gütiger Mensch sei. Anne Sharpe machte sich keine Sorgen wegen Gouverneur Almonts Güte. Sie hatte schon in ganz jungen Jahren gelernt, mit Männern fertig zu werden.
    Sie schloss die Augen, und der Singsang der schwarzen Frau wurde in ihrem Kopf durch das Läuten von Kirchenglocken verdrängt. Irgendwann hatte sie begonnen, diesen monotonen, unaufhörlichen Klang zu hassen, in London.
    Anne war das Jüngste von drei Kindern, die Tochter eines Matrosen, der nach seinem Abschied von der See Segelmacher in Wapping geworden war. Als kurz vor Weihnachten die Pest ausbrach, hatten ihre zwei älteren Brüder sich als Wächter verdingt. Sie standen vor den Türen pestbefallener Häuser und sorgten dafür, dass keiner der Bewohner herauskam. Anne selbst arbeitete als Pflegerin für verschiedene wohlhabende Familien.
    Im Laufe der Wochen verschmolzen die schrecklichen Dinge, die sie gesehen hatte, in ihrer Erinnerung. Die Kirchenglocken läuteten Tag und Nacht. Sämtliche Friedhöfe waren überfüllt; bald wurden die Toten nicht mehr einzeln bestattet, sondern in tiefen Massengräbern, wo sie hastig mit Kalk und Erde bedeckt wurden. Wenn die Totenkarren, auf denen sich die Leichen türmten, durch die Straßen gezogen wurden, blieben die Totengräber vor jedem Haus stehen und riefen: »Bringt eure Toten heraus.« Der Verwesungsgeruch war allgegenwärtig.
    Die Angst ebenso. Einmal sah sie, wie ein Mann auf der Straße tot umfiel und sein dicker Geldbeutel klimpernd neben ihm landete. Scharen von Menschen gingen an dem Toten vorbei, doch niemand wagte es, die Geldbörse aufzuheben. Selbst als der Leichnam später weggekarrt wurde, blieb der Geldbeutel unangetastet.
    Auf allen Märkten hatten die Lebensmittel- und Fleischhändler Schüsseln mit Essig neben ihren Waren stehen. Die Kunden warfen die Münzen in den Essig; nicht eine Münze wurde von Hand zu Hand gereicht. Alle bemühten sich, das Geld passend zu haben.
    Nach Amuletten, billigem Schmuck, Zaubertränken und -sprüchen herrschte eine rege Nachfrage. Anne selbst kaufte sich ein Medaillon, das irgendein übel riechendes Kraut enthielt, aber angeblich die Pest abwehrte. Sie trug es ständig.
    Und doch starben die Menschen weiter. Ihr ältester Bruder erkrankte an der Pest. Eines Tages traf sie ihn auf der Straße. Sein Hals war geschwollen und mit dicken Beulen übersät, und sein Zahnfleisch blutete. Sie sah ihn nie wieder, aber sie vermutete, dass er gestorben war.
    Ihren anderen Bruder ereilte das übliche Wächterschicksal. Während er eines Nachts ein Haus bewachte, liefen die eingeschlossenen Bewohner plötzlich Amok, weil die Krankheit ihnen den Verstand raubte. Sie brachen aus und töteten Annes Bruder mit einer Pistolenkugel. Sie hatte nur davon gehört; gesehen

Weitere Kostenlose Bücher