Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Gold und Stein

Gold und Stein

Titel: Gold und Stein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heidi Rehn
Vom Netzwerk:
mied er nach dessen Weggang die Gesellschaft der Männer und zog sich wieder in seinen stillen Winkel zurück. Bevor er sein kleines Büchlein aufblätterte und von neuem darin zu lesen begann, hob er den Kopf. Sein Blick traf den von Agnes. Aus den schönsten grünen und blauen Augen, die ihr je begegnet waren, zwinkerte er ihr zu. Ihr Herz machte einen Sprung, ihre Wangen glühten. Beschwingt kehrte sie zum Schanktisch zurück.

2
    U m für die nächste Bestellung gerüstet zu sein, füllte Agnes die Kanne am Bierfass auf. Während der goldgelbe Gerstensaft in das blecherne Gefäß schäumte, kreisten ihre Gedanken um den Schwarzbärtigen. Was las er so andächtig? Was führte ihn überhaupt nach Wehlau, in das Gasthaus zum Silbernen Hirschen? Der Markt schien es nicht zu sein, sonst wäre er längst aufgebrochen oder hätte in der Gaststube die Nähe zu den Kaufleuten gesucht. Wer mochte er sein? Nie zuvor hatte sie ihn in der Stadt gesehen.
    »Was ist heute nur los?« Schnaufend baute sich Griet neben ihr auf. Die pausbäckige Magd stemmte sich die feuchten Hände in die Hüften und musterte die Männer in der Schankstube. Dabei pustete sie eine vorwitzige Strähne ihres hellen, fast weißen Haares aus der Stirn. »Müsste ich nicht drüben am Suppenkessel aufpassen, würde ich die Burschen hier an den Tischen keinen Moment aus den Augen lassen. Die ungewohnte Frühlingshitze ist ihnen wohl zu Kopf gestiegen! Kaum lugt die Sonne hinter den letzten Winterwolken hervor, werden sie übermütig. Noch bevor sie auf dem Markt ein einziges Geschäft getätigt haben, zechen sie hier bei uns, als gäbe es einen besonders guten Handel zu feiern. Dabei dürfte keiner von denen im Winter Reichtümer gehortet haben. Ganz zu schweigen davon, dass die hier Heldentaten im Kampf gegen die Ordensritter vorzuweisen hätten. Schau dir die Spitzbuben doch an! Wahrscheinlich sind sie beim Ausmisten ihrer Ställe von den Strohhalmen zu kräftig in den Hintern gestochen worden. Allesamt sind das törichte Bauerntölpel mit nichts als Unsinn im Kopf!«
    Agnes ließ sich von Griets Murren nicht beeindrucken. Trubel und Zwist gab es im Silbernen Hirschen jeden Tag. Gerade an Markttagen kamen übermütige Sprücheklopfer und wagemutige Raufbolde zuhauf in die Stadt. Außerdem durchschaute sie die Magd, die nur zu gern jede Gelegenheit nutzte, sich die Anwesenden genauer anzusehen. Offenbar suchte sie jemand ganz Bestimmten. Agnes stutzte. Es war ihr, als stierte die Magd in die Ecke, wo der Schwarzbärtige saß! Endlich wanderte Griets Blick weiter, und Agnes atmete auf. Als Griet zum Herd zurückging, folgte ihr Agnes.
    So nah beim Feuer war es unerträglich heiß. Wieder lockerte Agnes das Tuch an ihrem Hals, warf das glatte braune Haar zurück. Wie all die Stunden zuvor rührte Griet in dem Suppenkessel. Ihr Gesicht schimmerte rot und feucht, eine Strähne des weißblonden Haares klebte auf der hohen Stirn. Seit dem Weggang der alten Käth vor mehreren Monaten kochte Griet im Silbernen Hirschen. Die rege Nachfrage nach ihrer kräftigen Brühe bewies, wie gut ihr das gelang. Ein geheimnisvolles Lächeln umspielte die schön geschwungenen Lippen der Fünfundzwanzigjährigen. Wie gern würde Agnes ihr in den Kopf schauen, um zu erfahren, an wen sie beim emsigen Rühren dachte. Dass es derjenige sein musste, den sie eben in der Gaststube gesucht hatte, daran zweifelte Agnes nicht. In letzter Zeit verging kaum ein Tag, an dem Griet nicht vom Heiraten sprach. Dabei strahlten ihre grünblauen Augen hell wie die Mittagssonne. Zeit wurde es, betonten Mutter Gunda und Großmutter Lore in seltener Einmütigkeit. Auch wenn sie damit ihre Magd verlieren würde, hatte Mutter Gunda sich erboten, für die Einrichtung des ersten Hausstands zu sorgen, sollte es zur Hochzeit kommen.
    Unter lautem Getöse lehnte Griet den Rührlöffel an die Wand des Kessels, nahm eine Möhre und schnippelte sie in die Suppe. Rasch folgten eine Zwiebel und eine weitere Möhre. Mit jedem Schnitz, der in der kräftig duftenden Suppe landete, verklärte sich ihr Lächeln weiter. Agnes seufzte. Griet musste es tatsächlich ums baldige Heiraten zu tun sein! Aber wen? Sie meinte, vor Neugier zu platzen.
    Lächelnd wandte sie sich wieder dem Fass zu. Während sie eine zweite Kanne mit Bier befüllte, spähte sie abermals vorsichtig in Richtung des Schwarzbärtigen. Wie ritterlich er ihr beigestanden hatte! Sah er nicht gerade unauffällig zu ihr herüber? Unsinn! Was sollte ein

Weitere Kostenlose Bücher