Goldhort: Ein Mystery-Thriller (German Edition)
mich auf die Sofakante setzte und fragte, ob ich Lust auf ein bisschen Abkühlung hätte. Natürlich hatte ich das! Und so ließ ich mich nicht lange bitten und folgte ihm in die kaum merklich kühlere Küche, wo wir uns ein kaltes Mineralwasser eingossen.
„Sodom und Gomorrha“, lachte er.
„Ja, unglaublich!“, antwortete ich und lachte zurück.
„Ich bin Raik“, stellte er sich vor.
Nachdem ich ebenfalls meinen Namen genannt hatte, wagte ich sogleich einen invasiven Vorstoß, indem ich fragte: „Ah ja. Und warum habt ihr euch getrennt?“, womit ich ihm außerdem subtil zu verstehen geben wollte, dass ich schon einiges über ihn wusste, damit er nicht auf die Idee käme, mir irgendetwas Falsches zu erzählen.
„Wir haben uns auseinandergelebt“, antwortete er stereotyp und setzte hinzu: „Und es gab Konflikte wegen des Erbes.“ Seine unwirklich blauen Augen huschten verlegen umher.
Das interessierte mich nun in der Tat brennend. Was für Konflikte konnte es da wohl geben? Ich wusste, dass Großonkel Albert siebenundneunzig Jahre alt war. Betraf es die Taubeninsel und den Grundbesitz? Direkt danach zu fragen erschien mir etwas zu unhöflich, weshalb ich mich, nicht ohne Anstrengung, zurückhielt. Langsam merkte ich, wie mir die Müdigkeit in alle Glieder kroch, und noch ehe ich selbst diesen Gedanken denken konnte, fragte er mich, ob ich gehen wolle und er mich vielleicht nach Hause bringen dürfe.
Wir schlenderten in das Wohnzimmer zurück, um uns zu verabschieden. Onkel Gustav fummelte gerade unter dem Pulli an Tante Bärbels BH und auch bei den anderen schien die Stimmung weiterhin ungebrochen gut zu sein, wenn man sie so zu den Polkaklängen von „In Rixdorf ist Musike“ in einer Polonaise um den Tisch herumkriechen sah. Irgendwie war ich ganz froh darüber, dem Anblick dieser Rentnerparty zu entkommen.
Inzwischen war es Nacht geworden. Ein atemberaubender Sternenhimmel hatte sich über die dunklen Dächer gebreitet und der warme Frühlingswind strich wie ein sanftes Kätzchen um meine Beine. Genau die richtige Kulisse für ein filmreifes Stelldichein, das unvergesslich bleiben würde, dachte ich. Doch leider hatte ich die Rechnung ohne seinen Wagen gemacht, dem er schnurstracks entgegenstrebte, ohne dabei aufzuhören mich zu stützen, als wäre ich selbst schon altersschwach oder als würde ich zumindest unter gefährlichen Gleichgewichtsstörungen leiden. Das konnte unmöglich der Fall sein, aber ich sagte nichts und ließ mich widerstandslos zum silbermetallicfarbenen Auto führen. Also wurde unglücklicherweise nichts aus der Romantik unter sternenklarem Himmel, mit verbummelten Schritten und ebenso verbummelten Worten. Leise verfluchte ich mal wieder den technischen Fortschritt, der mit seiner sich fortwährend steigernden Schnelligkeit jedwede romantischen Augenblicke zerstörte, ganz abgesehen davon, dass ich gleichzeitig wenig Lust verspürte, in mein Katastrophengebiet zurückzukehren. Sollte ich ihn fragen, ob ich mit zu ihm kommen kann? Himmel, nein! Das ging überhaupt nicht! Was würde er von mir denken!
Aber vielleicht konnte ich ihn dazu bringen, ein bisschen länger im Auto zu kuscheln? Schnell kramte ich sämtliches Repertoire meiner Verführungskünste aus dem Gedächtnis hervor, wo es lange ungenutzt gelegen hatte. Irgendwie machte er nicht den Eindruck, als hätte er jetzt so etwas im Sinn, aber mein Gott, es würde ihm sicher nicht schaden. So ein bisschen Knutscherei, was machte das aus? Früher war das Standard auf jeder Schulparty.
Wie aus Versehen strich ich über seinen ärmellosen, muskulösen Unterarm, streifte seinen Nacken mit meinen Fingern, spürte die feinen Härchen seines Haaransatzes, ließ meinen Zeigefinger die Linie seines Halses hinuntergleiten - im Autoradio stampfte gerade der hypermoderne Goa-Beat eines Ravesamplers und ich war mir nicht sicher, ob es der Technoremix oder aber mein Herz auf mehr Beats per minute brachte -, und schon sah ich mich meine Hand unter sein jeansfarbenes T-Shirt schieben, das so herrlich auf seiner jugendlichen Haut leuchtete. Er fing sie auf und hielt sie fest, wobei er breit lächelte. Warum waren mir diese faszinierenden Grübchen um seinen Mund noch nicht aufgefallen? Wie hypnotisiert starrte ich sie an.
"Du bist süß, wenn du beschwipst bist.“
Wie? Was? Hatte er gerade was gesagt? Ich bin beschwipst? Was soll das schon wieder heißen? Und überhaupt, was soll das bedeuten 'Du bist
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