Goldhort: Ein Mystery-Thriller (German Edition)
süß'? Süß wie eine Kremtorte - Kremtörtchen? Zuckerguss, Mandelmarzipan, Amarena-Kirsche, Cremesahneschlag
...Schlagsahneschlag...Schlagcremesahne.
"Ich kann nichts... nichts... dafür. Sooo viel Kremtorte...“, murmelte ich. Dann schlummerte ich im Autositz ein.
Wir fuhren und fuhren. Über dunkle Landstraßen, menschenleere Autobahnen, vorbei an kleinen Dörfern und hellerleuchteten Fabriken, vorbei an drohend aufragenden Windrädern und fernen Kirchtürmen. Die Fahrbahnmarkierung hatte Füße. Kleine, winzige Füße, die sich wie die Beinchen eines Tausendfüßlers unermüdlich fortbewegten, um neben mir Schritt zu halten. Füße... laufen... Die Bäume können nicht laufen. Stumm und traurig schauen sie mir aus der Dunkelheit hinterher. Etwas Schwarzes steht auf dem Weg und zwei weiße Stoßzähne wölben sich in die Nacht. Ein Mammut! Zwei kleine Augen blicken mich unverwandt an. Es macht keine Anstrengungen, sich von der Stelle zu bewegen. Ich greife nach dem Speer in meinem Köcher und schwinge ihn drohend über meinen Kopf. Weiße Sichelmonde in der Nacht. Sie blinzeln und ich steche zu. Sahnecreme spritzt aus der Wunde und aus dem Nüstern des Mammuts. In Sahnecreme verendet es.
"Kremtorte...“, nuschelte ich, dann merkte ich, dass mich jemand an der Schulter packte und schüttelte.
"Wir sind da!“
Gerade fünfzehn Minuten hatte er gebraucht, um sich mit dem Wagen vor mein Haus zu stellen und zu fragen, ob ich es alleine bis in die Wohnung schaffe. Hätte er gefragt, ob er noch auf einen Kaffee mit hinaufkommen darf, den ich zwar generell nie zu Hause habe, ja dann...
Aber so, 'ob ich es alleine schaffe'...pffff. Was besseres fällt dem wohl nicht ein. Und ich verschwand im Hausaufgang, ohne einen Blick zurück zu werfen. Ich schlich die vielen Treppen hinauf, zumindest bemühte ich mich zu schleichen, und als ich meine Wohnungstür aufschloss, hörte ich ein Geräusch, das eine Etage höher vom Dachboden kam. Verwundert schaute ich den dunklen Treppenschacht hinauf, in welchem sich die Stufen in schwammigem Funzellicht verloren. Kurz meinte ich das Gesicht meines Nachbarn über der Treppenbrüstung zu sehen, doch sofort war es wieder verschwunden.
"Hallo?", rief ich und erhielt keine Antwort. Für ein Versteckspiel war ich einfach zu müde, weshalb ich schulterzuckend in meine Wohnung trat und fast augenblicklich in das nicht gemachte Bett fiel, welches ich in eine andere Ecke des Zimmers geschoben hatte, bevor ich mit der Renovierung begann.
Das erste, was ich am nächsten Morgen bemerkte, war das pelzige Gefühl auf meiner Zunge. Minuten später meldete sich auch ein dumpf ziehender Schmerz in der Schläfengegend. In mir wuchs eine Ahnung, dass es da etwas in der letzten Nacht gegeben hatte, das ich besser nicht wissen wollte. Kaum hatte ich das gedacht, kam schlagartig die Erinnerung zurück und jeder wird sich vorstellen können, wie ich mich fühlte, als ich mir die Vorkommnisse in dem silberfarbenen Gefährt durch den Kopf gehen ließ. Ich kam mir vor wie eine Idiotin.
Noch tiefer vergrub ich mich unter meiner Bettdecke um zu vergessen, doch selbst in diesem finsteren Versteck stöberte mich der feindlichste aller Kritiker auf, um mich mit Selbstvorwürfen zu überhäufen. Was musste er nur von mir denken? Wie hatte ich mich bloß benommen? Welch ein Glück, dass ich ihm nicht noch den Wagen versaut hatte. Oder hatte ich? Nein, bestimmt nicht. Ich war zwar wirklich ziemlich beschwipst in der vergangenen Nacht, wie er es milde nannte, aber so sehr nun auch wieder nicht. Trotzdem, das war mir nur ein schwacher Trost. Ich hoffte inständig, ihn nie mehr in meinem ganzen Leben wiedersehen zu müssen.
Von den peinlichen Gedanken an meinen letzten Fettnäpfchenfehltritt, oder genauer gesagt Sahnecremenäpfchenfehltritt, wurde ich durch einen Blick auf die zerfetzte Wand mir gegenüber abgelenkt. Wie ein schwarzes, gesichtsloses Auge beobachtete mich der freigelegte Hohlraum, und dies ist nicht einfach eine simple Metapher zur Hebung des künstlerischen Niveaus dieser Geschichte, oh nein, ich fühlte mich tatsächlich auf unbestimmte Weise beobachtet, sobald ich die Wand betrachtete.
Endlich kletterte ich aus dem Bett, stolperte über eine leere Coladose, die auf dem Fußboden herumrollte (wie die dorthin gekommen ist, war mir ein Rätsel) und griff noch in Unterwäsche, die aus nichts weiter bestand als einem hellblauen Slip, nach dem Hammer, der in einer Ecke lag. Mit
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