Goliath: Roman (German Edition)
Überdosis Muskelrelaxanzien und Barbiturate geschluckt. Es war das erste Mal in ihrem Leben, dass sie um Hilfe gerufen hatte, und es wäre fast das letzte Mal gewesen.
Nach einer monatelangen Einzeltherapie wich Rockys innere Leere allmählich einem schwelenden Zorn, der jederzeit zum Ausbruch kommen konnte. Die Medikamente machten sie krank, und eine Europareise mit ihren Eltern verschlimmerte die Lage nur. Der »Bear« wusste, dass das zusammengebrochene Selbstbewusstsein seiner Tochter samt deren patriotischer Überzeugung wieder aufgebaut werden musste. Das erforderte Disziplin, die der Dienst ihr verschaffen konnte. Eine Rückkehr an ihre frühere Arbeitsstelle war allerdings ausgeschlossen, obwohl ihr Vater dafür gesorgt hatte, dass man bei der Navy nichts von ihrer Überdosis erfuhr.
»Was ist mit dem aktiven Dienst?«, regte ihre Mutter an, ohne auf die Einwände ihres sturen Gatten zu achten.
Schließlich war der »Bear« bereit, an ein paar Strippen zu ziehen, um den Plan seiner Frau zu verwirklichen. Ein halbes Jahr später trat Rocky ihren ersten Posten auf dem Aegis-Lenkwaffenkreuzer Princeton an. Dort setzte man sie ans Sonargerät.
Die Luftveränderung war genau das, was die junge Frau brauchte, um ihre angegriffene geistige Gesundheit wiederherzustellen. Das Leben an Bord eines amerikanischen Kriegsschiffes war eine Herausforderung, und so etwas hatte schon immer die besten Seiten von Rochelle Megan Jackson zum Vorschein gebracht. Ihr Ehrgeiz ließ es nicht zu, dass irgendein anderer je mehr als sie arbeitete, wusste oder leistete. Innerhalb eines Monats war sie wieder ganz die Alte, und am Ende ihres ersten Dienstes beurteilte ihr Vorgesetzter sie als einen der zuverlässigsten Offiziere auf seinem Schiff.
Nach drei Jahren und einer Beförderung hatte Commander Jackson sich einen Dienst auf der USS Ronald Reagan verdient, dem neuesten Flugzeugträger der Flotte.
Hier traf die frühere Projektleiterin auf Kapitän James Hatcher, fünfundzwanzig Jahre älter als sie. »Hatchs« erste Frau war erst ein Jahr zuvor nach einem langen Kampf gegen den Brustkrebs gestorben, und in ihrem Kummer fühlten die beiden sich als verwandte Seelen. Was als Freundschaft begann, entwickelte sich allmählich zu einer intimen Beziehung, ohne dass einer der beiden an die Konsequenzen gedacht hatte. Als Hatcher sich schließlich Sorgen machte, seine Karriere könne durch einen eventuellen »Sexskandal« ins Trudeln geraten, hielt er um Rockys Hand an.
Sie staunte selbst, als sie ihm das Jawort gab.
Rockys Bekannte behaupteten hinter ihrem Rücken, sie habe nur nach einer Vaterfigur gesucht, und vielleicht hatten sie recht. Hatch war alles andere als der Mann ihrer Träume, aber sie sah in ihm einen guten Menschen und zuverlässigen Gefährten, der ihr zerbrechliches Vertrauen nicht enttäuschen würde. Außerdem war er ein Offizier mit Zukunft, was nicht außer Acht zu lassen war. Rocky sehnte sich danach, wieder wie früher im Rampenlicht zu stehen, und als Kapitän des Flagschiffs der amerikanischen Marine konnte James Hatcher ihr den Weg bahnen. Trotz heftiger Proteste ihres Vaters heirateten die beiden.
In derselben Woche brach in Leavenworth eine Gefängnisrevolte aus, bei der zwei Männer getötet wurden. Der Gefängnisdirektor wurde als Geisel genommen. Als Verstärkung eintraf, hatte ein einzelner Häftling – ein früheres Mitglied der US Army Rangers – es bereits geschafft, dem Direktor das Leben zu retten.
Es folgte eine lautstarke Pressekampagne über Gunnar Wolfes Heldentat, worauf der einstige Elitesoldat und spätere Verräter vom Präsidenten begnadigt wurde. Nach fünf Jahren und sieben Monaten Haft verließ Wolfe das Militärgefängnis als freier Mann und verschwand sofort aus dem Licht der Öffentlichkeit.
Im Anschluss an die Flitterwochen in Key West gingen Captain Hatcher und seine junge Frau wieder an Bord der Ronald Reagan , die mit ihrer Flotte in Richtung Mittelmeer auslief. Nach den Dienstregeln durften Rocky und Hatch zwar nicht offiziell eine Kajüte teilen, was Rocky jedoch nicht davon abhielt, die gemeinsame Zeit auf See zu genießen. Voller Begeisterung, endlich Zugang zu den modernsten elektronischen Spielereien der Navy zu haben, war sie bald mit sämtlichen Warnsystemen des Schiffs vertraut. Mit ihren Geräten überwachte sie einen mehrere Hundert Kilometer weiten Luftraum um die Kampfgruppe und war gleichzeitig in der Lage, jedes Unterwasserobjekt zu orten und zu
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