Goliath: Roman (German Edition)
menschlichen Natur. Er hat furchtbar gelitten. Kaum jemand weiß, dass er sich in Neurophysiologie und Psychologie genauso gut auskennt wie mit Computern. Ganz recht, der Typ ist ein Genie. Deshalb hatte Dr. Goode ihn ja angeworben, als er bei Amgen gefeuert wurde.«
»Im Ernst? Die Kanadier haben Covah rausgeschmissen?«
»Sag bloß, die Story hast du nie gehört!« Gunnar grinst. »Zwei Wachleute bei Amgen haben Simon dabei erwischt, wie er versucht hat, sich mit einem der Großrechner zu verkabeln.«
David reißt die Augen auf. »Hör mal, willst du mir weismachen, dass der irre Simon Covah sich als Cyberpunk betätigt hat? Ich weiß schon, dass der Typ wie ein Cyborg aussieht, aber die Idee, das eigene Hirn mit einem Computer zu verbinden … du lieber Himmel.«
»Im Grunde ist es gar nicht so weit hergeholt. Masuo Aizawa zum Beispiel arbeitet schon seit über fünfzehn Jahren daran, Neuronen zu neuronalen Netzwerken zusammenwachsen zu lassen. Und dann die Cochlear-Implantate für Hörbehinderte, oder die Steuerung von Prothesen mithilfe implantierter neuronaler Schnittstellen – solche Ideen sind überhaupt nichts Neues, von der virtuellen Realität ganz zu schweigen. Unsere Hör- und Sehnerven sind die beste Möglichkeit, dem Gehirn Informationen zu übermitteln.«
»Jetzt mach mal halblang, G-Man. Systeme wie das EEG bieten keinerlei Möglichkeit, Informationen einzuspeisen.«
»Simon hat auch kein EEG benützt, sondern gedruckte Mikro-Leiterplatten. Wie er mir erklärt hat, besitzen die alle drei Elemente, die man für eine solche Schnittstelle braucht: Gewebeklemmen, eine Platine, die von diesen Klemmen lesen kann, und einen Input-Output-Interpreter, in diesem Falle ein Computer. Simon hat ein Cochlear-Implantat verwendet, um eine Verbindung zwischen der Platine und seinem Gehirn herzustellen, aber die Schnittstelle hat nicht funktioniert.«
»Natürlich nicht! Das Problem an der ganzen Idee ist die Komplexität des menschlichen Gehirns – das und die Schwierigkeit, ein Verbindungsstück tatsächlich einzupflanzen. Für eine funktionierende Schnittstelle zwischen Mensch und Maschine braucht man zweierlei: einen chirurgischen Eingriff, bei dem die Elektroden direkt ins Gehirn implantiert werden, und einen Computer, der leistungsstark genug ist, um die Komplexität des menschlichen Gehirns zu entschlüsseln. Eines Tages wird das durchaus möglich sein, aber bestimmt nicht mit einem Cochlear-Implantat.«
Sie bleiben an einem Checkpoint stehen, um den Wachen ihre Erkennungsmarken zu zeigen.
David Henry Paniagua jun. stammt aus einem reichen Elternhaus. Sein Vater David Paniagua sen. war Präsident und Topmanager der American Microsystems Corporation ( AMC ). Die auf Bioware spezialisierte Firma ist im Besitz von Mabus Tech Industries, eines privaten Rüstungskonzerns, der von einer Reihe früherer Funktionäre der Regierungen Reagan und Bush geleitet wird. Seit seiner Gründung im Jahr 1991 hat er über neunzehn Milliarden Dollar schwere Aufträge vom amerikanischen Verteidigungsministerium erhalten, bei denen es umso unterschiedliche Dinge wie den Bau von Maschinengewehren und Leitsystemen für Atomraketen des Typs Trident D 5 ging.
Welche Laufbahn David jun. einmal ergreifen würde, war schon in seiner Kindheit vorgezeichnet. Mit Computer-Kampfspielen aufgewachsen, hat er schon im Alter von zehn Jahren eigene Spiele programmiert. Zwei Jahre später half er einem AMC -Team bei der Entwicklung von Virtual-Reality-Simulatoren, die bei der Ausbildung von Kampfhubschrauberpiloten eingesetzt werden sollten.
Auf ein nennenswertes Familienleben musste David zwar verzichten – sein Vater war inzwischen schon zum vierten Mal verheiratet –, aber es hatte allerhand Vorteile, für Daddys Firma zu arbeiten. Mit sechzehn Jahren verfügte er über ein sechsstelliges Bankkonto, einen neuen Dodge Viper und ein Stipendium für das renommierte California Institute of Technology.
Das Einzige, was dem jungen David im Leben fehlte, war Respekt, den man ihm entgegenbrachte – die Art Respekt, die nur der Besitz echter Macht verschaffen kann. Der »Junior« lernte schon früh, dass er immer im Schatten seines berühmten Vaters stehen würde. Seine mühsam errungenen Leistungen wurden als Produkt von Vetternwirtschaft abgetan, seine Kollegen behandelten ihn immer als Sohn des Firmenchefs. Das machte das jugendliche Computergenie zwar wütend, aber David schluckte seinen Stolz hinunter und wartete auf seine
Weitere Kostenlose Bücher