Gone Girl - Das perfekte Opfer: Roman (German Edition)
reinlesen. Trotzdem kann ich nicht umhin festzustellen, dass Amy jedes Mal, wenn ich etwas vermasselt habe, das richtig macht, was ich falsch gemacht habe: Als ich mit zwölf endlich mit dem Geigenunterricht aufgehört habe, wurde Amy im nächsten Buch sofort ein musikalisches Wunderkind. (»Herrje, Geigespielen ist echt anstrengend, aber nur, wenn man hart an sich arbeitet, macht man Fortschritte!«) Als ich mit sechzehn die Junior-Tennismeisterschaft absagte, weil ich mit Freunden übers Wochenende ans Meer fahren wollte, engagierte Amy sich plötzlich wieder für das Spiel. (»Herrje, es macht ja Spaß, mit Freunden etwas zu unternehmen, aber ich würde mich selbst und alle anderen im Stich lassen, wenn ich nicht zum Wettkampf erscheine.«) Es machte mich wahnsinnig, aber als ich nach Harvard ging (während Amy sich korrekt für die Alma Mater meiner Eltern entschied), beschloss ich, dass das alles zu lächerlich war, um auch nur einen Gedanken daran zu verschwenden. Dass meine Eltern, beide Kinderpsychologen , diese spezielle öffentliche Form der passiven Aggressivität ihrem eigenen Kind gegenüber wählten, war einfach zu abgefuckt, aber auch dumm und sonderbar und irgendwie saukomisch. Dann sollte es eben so sein.
Die Buch-Party war genauso schizophren wie das Buch selbst – im Bluenight in einer Seitenstraße des Union Square, einem dieser dunklen Salons mit Lehnsesseln und Art-déco-Spiegeln, die es darauf abgesehen haben, dass die Gäste sich jung und kultiviert fühlen. Steif lächelnde Kellner transportieren Tabletts mit schwappenden Gin Martinis. Journalisten kippen sich gierig die freien Drinks hinter die Binde, bevor sie sich etwas Besseres suchen.
Hand in Hand wandern meine Eltern im Raum umher – ihre Liebesgeschichte ist immer Teil der Amazing-Amy -Geschichte: Mann und Frau seit einem Vierteljahrhundert vereint in gemeinsamer kreativer Arbeit. Seelenpartner. So nennen sie sich wirklich, was ja auch einleuchtet, denn vermutlich sind sie das. Ich kann es bezeugen, weil ich, das arme kleine einsame Einzelkind, sie viele Jahre lang studiert habe. Sie haben keine Ecken und Kanten, es gibt keine stachligen Konflikte zwischen ihnen, sie schwimmen durchs Leben wie siamesische Quallen – ihren Instinkten gehorchend, dehnen sie sich aus und ziehen sich wieder zusammen, füllen weich und flüssig die Räume des jeweils anderen. Bei ihnen sieht das ganze Seelenpartner-Ding ganz leicht aus. Man sagt immer, dass Kinder aus Trennungsfamilien es schwer haben, aber Kinder aus Wunderehen haben ihre ganz eigenen Probleme.
Natürlich muss ich auf einer samtbezogenen Bank in der Ecke sitzen, wo es nicht so laut ist, damit ich der traurigen Handvoll junger Praktikanten, denen der Chefredakteur die Aufgabe »holt euch ein Zitat!« aufgebrummt hat, ein paar Interviews geben kann.
Was für ein Gefühl ist es, dass Amy jetzt Andy geheiratet hat? Sie sind nicht verheiratet, oder?
Wer stellt diese Frage?
Ein verlegener knopfäugiger Knabe, der einen Laptop auf seiner Kuriertasche balanciert.
Ein viel zu schickes junges Mädel mit seidig glänzenden Haaren und Fick-mich-Stilettos.
Ein eifriges tätowiertes Rockabilly-Girl, das sich weit mehr für Amy interessiert, als man es von einem Rockabilly-Girl erwarten würde.
Alle drei.
Antwort: D
Ich: »Oh, ich freue mich für Amy und Andy, und ich wünsche den beiden das Allerbeste. Haha.«
Auf alle anderen Fragen antworte ich, ohne bestimmte Reihenfolge:
»Manche Teile von Amy sind von mir inspiriert, andere einfach nur Fiktion.«
»Momentan bin ich glücklich und Single, es gibt keinen Able Andy in meinem Leben!«
»Nein, ich glaube nicht, dass Amy die Männer-Frauen-Dynamik zu sehr vereinfacht.«
»Nein, ich würde nicht sagen, dass Amy veraltet ist, ich finde, die Serie ist ein Klassiker.«
»Ja, ich bin Single. Momentan gibt es keinen Able Andy in meinem Leben.«
»Warum Amy atemberaubend und Andy einfach nur tüchtig ist? Na ja, kennen Sie selbst nicht eine Menge toller Frauen, die sich mit ganz normalen Jungs zufriedengeben, mit Durchschnitts-Daniels und annehmbaren Antons? Nein, ich mache nur Witze, schreiben Sie das bitte nicht.«
»Ja, ich bin Single.«
»Ja, meine Eltern sind definitiv Seelenpartner.«
»Ja, ich wünsche mir so etwas auch – irgendwann mal.«
»Japp, Single, Blödmann.«
Immer wieder die gleichen Fragen, und ich versuche, so zu tun, als würden sie mich nachdenklich stimmen. Und die Interviewer versuchen auch, so zu tun, als
Weitere Kostenlose Bücher